Sonntag, 31. März 2013

Off The Beaten Path EP

Garcias EP ist ein gut gemeintes Release eines seit mehreren Jahren im Untergrund arbeitenden MC's, der eigentlich nur richtig gut darin ist, sich eindeutigen Zuschreibungen zu entziehen und seinen eigenen Weg in Richtung nicht-eigener Spuren zu gehen, was nichts weiter bedeutet, als dass er von der Masse wie vom Großteil der Independentrap-Zuhörerschaft übersehen wird. Hört man sich "Off The Beaten Path EP" an, stellt sich jedoch nicht die Frage nach der vermeintlich unfairen Behandlung des Latino-Rappers in den Mittelpunkt, sondern unüberraschenderweise die Antwort darauf. Zwischen bemühten Straßenhymnen und Metaphern auf durschnittlichem Oberschulniveau lässt sich schlichtweg nicht viel finden, was eine Steigerung des Bekanntheitsgrads rechtfertigen könnte. Vom nicht angeberischen, aber doch in weiten Teilen unausgegorenen Eastcoast-affinen Sound bleibt nicht viel hängen, sofern man des Hip Hop Spiels langjähriger Beobachter ist, dem in voller Montur ausgestellter, unfreiwilliger Anti-Perfektionismus nur noch Schmerzen bereitet. Trotzdem lässt sich diesem kleinen Album der gewohnt banale Unterhaltungswert nicht absprechen. Freilich ist dieser nur gering und existiert nicht zuletzt aufgrund der interessanten Gastbeiträge von Künstlern wie Reks oder Wrekonize (von der Gruppe ¡MAYDAY!).

Garcia - Off The Beaten Path EP
2012
Label: -

Good Kid, M.A.A.D City

Geht man zu weit, wenn man "Good Kid, M.A.A.D City" als kinematografischstes Album der Hip Hop Geschichte bezeichnet? Ich denke nicht, denn Kendricks narrative Arbeiten über Moral, Schuld und Unschuld, über die kriminellen Energien in Compton, in dem Gewalt, bewaffnete Gangs und Drogen als kontinuierliche Bedrohungen des Einzelnen und der Gemeinschaft wirken, ist beinah so filmisch, als wäre sie mit einem technischen Apparat aufgenommen worden. Er nimmt für seine Betrachtungen nur keine Kamera, sondern bedient sich gut ausgewählter Worte. Und so wie die französischen Initiatoren der bekannten Nouvelle Vague Ende der Fünfziger nicht mehr mit den Einheitsprodukten der Hollywoodfabrik und den stromlinienförmigen inländischen Filmen einverstanden waren, deshalb selbst anfingen mutige Filme zu drehen, so ähnlich verhält es sich mit Kendrick Lamar und seinem erst zweiten Album, das nicht nur simple Unterhaltungsbedürfnisse befriedigen möchte. Nur weil der kalifornische Rapper und Member der Black Hippy Gruppe Gangstarap-Motive verwendet, bedeutet das nicht, dass er sie ausbeutet. Das Gerieren als grimmig dreinschauender Verhauer milchgesichtiger Bubis ist nicht seine Sache. Seine Trials & Tribulations-Lyrik ist differenziert und vielschichtig, birgt psychische Zustände und formuliert vor allen Dingen immer einen kritischen Standpunkt. Die Arbeit auf dem Regiestuhl beherrscht Kendrick einwandfrei, so zeugen Binnenverweise, Polyperspektivität und lange wie kurze Skits von hoher handwerklicher Geschicktheit, die die Songs zu einem Konzept zusammenbringt. Diese Virtuosität macht ihn zum Jean-Luc Godard des Hip Hops! Als Zuhörer schwimmt man wahrlich in Höhepunkten, wie etwa in der wilden Hintersitz-Reimerei auf "Backstreet Freestyle" oder in dem Romantik evozierenden Zeitlupen-Beat auf "Poetic Justice". In inhaltlicher wie struktureller Hinsicht nimmt sich die 2011 erschienene Erzählung "Ungud" von den Roots dagegen wie eine Gute-Nacht-Geschichte aus, auch weil die Hauptfigur in dem mit A Short Film by Kendrick Lamar untertitelten "Good Kid, M.A.A.D City" selbst das Wort hat und keine von Dritten gesprochene fiktive Person mit einer fiktiven Biografie.

Kendrick Lamar - Good Kid, M.A.A.D City
2012
Label: Top Dawg / Aftermath

Space

Die sowieso schon ziemlich breit aufgestellte Hip Hop Szene in Minneapolis bekommt mit dem Duo The Tribe & Big Cats! weiteren hochwertigen Nachschub, weil aus Rapper Truthbetold und Produzenten Big Cats nicht weniger Energie und Kreativität prickelt als bei den gestandenen Künstlern aus Minnesotas Metropolregion. Lassen sich die angesprochenen Pluspunkte bei wahrscheinlich jedem dritten Newcomer-Act entdecken, ist die überzeugte Lust, auf Eindeutigkeiten zu verzichten, nur bei sehr Wenigen zu erkennen. Doch genau in diese Nische platzieren sich die beiden, indem sie notorischen Schubladenaufmach-Junkies einfach aus dem Weg gehen. Die Ganzheit ihrer Musik ist deshalb auch kein Ergebnis einer verzweifelten Kopiererei eines bestimmten Stilrichtung, sondern ist die Summe einer toughen Verquickung unterschiedlicher Kulturidentitäten. So gesehen lässt sich mit ihrer Musik alles assoziieren, was cool, aber nicht antiintellektuell ist, beispielsweise eine Verschmelzung von Kendrick Lamar und Atmosphere. Zusätzlich trieft ihre gesamte Performance nicht vor herausgeputzter Wichtigkeit, schließlich verpflichtet Demut und Konzentration auf das Relevante die beiden dazu, auf dem Boden zu bleiben. Deshalb stehen zwar altmodische Jazz-Rhythmen neben elektronischen Soundgefilden, allein die Übertreibung der Elemente fehlt jedoch glücklicherweise jederzeit. Gelingt den beiden beim nächsten Mal eine Abrundung ihrer Kombinationen, sehe ich keinen Grund, warum sie in Zukunft keine Maßstäbe setzen könnten.

The Tribe & Big Cats! - Space
2012
Label: - 

Montag, 11. März 2013

Pangaean Drift

Es fällt mir schwer, Produzenten Factor im Hinblick auf einige seiner letzten veröffentlichten Projekte ein wirklich glückliches Händchen zu bescheinigen. "Saffron" mit Moka Only war bestenfalls Mittelmaß, sein mit Kirby Dominant abgeworfenes "Champagne Nightmares" nervte gleichermaßen durch Bedeutungslosigkeit wie durch banal instrumentierte Klangschablonen. Umso zufriedener und glückseliger höre ich mir dafür "Pangean Drift" an, welches er mit dem ebenfalls aus Saskatchewan stammenden Künstler Kay The Aquanaut recordete. Keine 20 Minuten dauert der Spaß der zwei Herren, und markiert musikalisch einen Punkt irgendwo zwischen 80er und Ultramoderne. In sehr ausgetüftelten Soundbauten lässt Factor wilde Scratches und elektronische Laute zueinanderfinden, entdeckt die Freude, zu minimaler Drum-Ausstattung mystisch klingende Melodien hinzuzuaddieren und ist überhaupt immer für Zugänglichkeit. Denn in einer Wust zu resultieren, kann man seinen Produktionen gewiss nicht vorwerfen. Stattdessen beruft sich Factor auf jene bescheidene Komplexität, jene zurückhaltende Ausformulierung des eigenen ambitionierten Standpunkts, mit der er den beiden Post-Golden Era Klassikern "Owl Hours" und "1969" seinen Stempel aufdrückte. Dennoch ist die frei downloadbare EP viel zu kurz und dient in erster Linie einem dramaturgischen Zweck. Die Spannung auf das erste Laika-Album "Letters From Laika" soll hiermit maximieren werden - dieses erscheint nach offiziellen Angaben im Frühjahr 2013.

Laika - Pangaean Drift
2012
Label: -

The KnewBook

Nach den ersten Annäherungsversuchen und den damit verbundenen Enttäuschungen entpuppte sich "The KnewBook" nach mehreren Spins völlig überraschend doch noch als respektables Futter für die Anlage. Sicher, für eine Suche nach adäquaten Alternativen würde man nicht lange brauchen, denn KnowMads vertrauen im Großen und Ganzen auf einfache Beatkonstruktionen. Mit dem Unterschied aber, dass ihre mit einer kräftigen Welle Soul durchfluteten Cuts hin und wieder mit der Unaufgeregtheit brechen und den nostalgischen Charme für einen Moment vergessen lassen. Die selten verwendeten Gesangparts klingen heimisch, die dezenten Synthie-Erregungen irgendwie sympathisch. Vollständig von Jesse Judd produziert, stärkt das Soundbild der Weniger-Produzenten-mehr-Harmonie-Behauptung den Rücken, während sich am Mikrofon Tom Pepe und Tom Wilson einfinden, um der selten komischen Realität Tribut zu zollen. Ihre Lyrics neigen nicht selten zum Pathetischen, öfter jedoch zum Erzählen von profanen Geschichten. Zu höheren Aufgaben konnte sich die Gruppe zwar nicht ermutigen, schaukelt das Kind jedoch bis zum Finale relativ verletzungsfrei. "The KnewBook" ist 2012 schon der zweite Wurf der Gruppe aus dem Nordwesten, im Februar erschien bereits die EP "Prologue", die, wie der Titel es schon suggeriert, natürlich ein Vorgeschmack und Heißmacher auf dieses Album war.

KnowMads - The KnewBook
2012
Label: -