Montag, 31. März 2014

Conflicts & Confusion

"Conflicts & Confusion" ist ein in allen Zügen unterhaltendes Album, das sich aber weder mit spektakulären Einfällen noch durch eine vielgestaltige Ideenbasis von anderen Releases abzuheben weiß. Allerdings ist es auch keines von diesen merkwürdig toten, mechanisierten CDs, deren Geistlosigkeit kaum mehr übertroffen werden kann. Auf "Conflicts & Confusion" findet sich in brav-linearer Kompaktheit einfach das zusammen, was irgendwie auch zusammengehört. Rustikale Texte, die sich um bedächtige Schuldeingeständnisse, Verbrechenstouren und vergangene wie kommende Entgleisungen drehen, vorgetragen auf pfeifenden und basslastigen Produzentenbeiträgen. Rapper Crime Boss konzentriert sich ganz auf essenzielle Themen, anstatt überschwänglich dem Pimpshit zu frönen, kredenzt er zusammen mit der Gruppe The Fedz, die auf mehreren Tracks gefeatured sind, lieber ein Hardcore-Brett nach dem anderen. Das von Suave House stammende Album lässt sich wie alle übrigen Platten des Labels aus Houston leicht konsumieren, obschon es deutlich massenkompatiblere Werke gibt. Ein entscheidendes und prägendes Charakteristikum gibt es bei Crime Boss leider nicht, wenn man jedoch ein Merkmal nennen müsste, wäre das wohl seine Stimme. Das angenehm tiefe Organ des selbsternannten Verbrechenschefs liegt nämlich ziemlich gut auf den Produktionen von T-Mix und E-A-Ski, bleibt im Kopf hängen und drängt sich nicht in störender Weise auf. Unterm Strich ist der Nachfolger des Debüts "All In The Game" nicht als Vorbote irgendeines Trends zu betrachten, auch nicht wie ein Furunkel einer aus der ökonomischen Perspektive uninteressant werdenden Musikrichtung namens Ganstarap. Er ist nichts anderes als eine konventionelle Brühe bewährter Mittel und Styles - und das ist in diesem Fall sogar mal ausreichend.

Crime Boss - Conflicts & Confusion
1997
Label: Suave House

Yeezus

Dass Kanye West offen für neue Versuche ist, bewies er schon mit "808's & Heartbreak“, auf welchem er von der Autotune-Methode reichlich Gebrauch machte. Auf "Yeezus" nutzt er ebenfalls vereinzelt die prominente frequenzregelnde Praxis, um die Stimme zu pimpen, doch als charakteristisch dringen andere Elemente in die Gehörgänge ein. Herr West überrascht nämlich sowohl mit einer Instrumentensauerei wie auch einer energetisch-vibrierenden Leere, die entweder durch relative Strukturlosigkeit oder temporären Minimalismus auffallen. Er hat damit einen prototypischen Antagonisten seines Debüts "The College Dropout" erschaffen, welches sich akustisch noch stark makellos anfühlte. Seine aus House-, Industrial-, und Elektro-Platten extrahierte Mischung verdichtet sich tatsächlich zu einem Gemälde mit Rissen und unglatten Stellen, wofür man ihn deutlich loben muss, da er durch seinen mutigen Ansatz den Anforderungen des Massenmarktes trotzt und als Künstler nicht stehen bleibt. Simultan dazu vermisse ich jedoch einen originären Synergismus, der alle inhaltlichen und formellen Aspekte zu einer Krafteinheit vereint und nicht nur lose und letztendlich kraftlos in der Luft herumhängen lässt. So sehr hier auch versucht wird, die Tonmuskulatur kräftig anzuspannen, die Synthesizer-Sixpacks zu demonstrieren, an der Intensitätsschraube zu drehen und mit würdevoller Düsternis zu punkten, es wirkt schlussendlich alles nur augenscheinlich clever und hässlich. Da muss man gar nicht erst das fragwürdige Frauenbild von Kanye West anprangern, um das Werk zu diskreditieren, wie es einige pseudo-pfiffige Kritiker getan haben. Es reicht schon auf gute Ansätze aufmerksam zu machen, wie es sie auf diesem Album zahlreich gibt, die jedoch meistens durch lyrische Unfähigkeit und die mittelmäßige Instrumentierung impotent gemacht werden.

Kanye West - Yeezus
2013
Label: Def Jam

Jake The Flake & The Flint Thugs

Wenn man über Gangstarap aus dem Underground spricht, wird man sich zwangsläufig auch mit der Stadt Flint im Bundesstaat Michigan beschäftigen müssen, die einige der talentiertesten Kompromissverweigerer hervorgebracht hat. Aus dem Ort, der in Statistiken Jahr für Jahr als einer der gefährlichsten der gesamten USA ausgewertet wird, firmieren die bekanntesten Straßenhelden unter Namen wie Dayton Family und Top Authority. Wenn es um Solokünstler geht, steht neben Billboard-Stürmer MC Breed auch ein Typ mit dem Künsteralias Jake The Flake, der in seiner Karriere zugegebenermaßen weniger Fame abbekam, der jedoch keinesfalls den Genannten in Sachen Talent und Themenfixierung irgendwie nachsteht. Wie es für das Flintrap-Ambiente typisch ist, erliegt auch Jake The Flake nicht der Idee, große und tiefschürfende Gedankenfetzen über das Weltgeschehen abzufeuern. Stattdessen kippt er arrogante Gangstatales und rüde Dealerskizzen über unverkrampfte Synthieproduktionen, dass es nur so nach einer Überhöhung des Gangsterlebens stinkt. Allerdings weiß der schwer hustlende Jake trotzdem um uncoole Sichtweisen bescheid, weshalb er sich hin und wieder ebenfalls um die Kehrseiten eines Gauner-Lifestyles kümmert. Instrumentiert wurde das Compilation-artige "Jake The Flake & The Flint Thugs" größtenteils von Sinister Prime und Frank G, die ihren Sound frei von exotischen Bestandteilen gehalten, dagegen auf Altbekanntes aus Flint gesetzt haben. Eingeweihte wissen bei dieser Formulierung, dass es sich natürlich nur um knackig-rumsende Drums und monströse Basslines handeln kann. Gleichzeitig spielt man aber genauso mit Kontrasten, unterläuft die Hardcoreness durch weich klingende Melodien. Doch das greift in keinem Fall die morbide Gesamtatmosphäre an, weitet sie hingegen vielmehr aus.

Jake The Flake - Jake The Flake & The Flint Thugs
1998
Label: Power 

Samstag, 29. März 2014

Ragnarok

"Ragnarok", ein auf 100 Tapes limitiertes Projekt, welches über die kleine Firma I Had An Accident Records in Umlauf gebracht wurde, pendelt, die Ohren verwöhnend, stimmungs- und gefühlsmäßig zwischen kollektiver Schwermut und individueller Perplexität, also verdüsterten Perspektiven auf die existenziellen Fragen. Der Begriff Ragnarok soll in der nordischen Mythologie für den massiven Umbruch der sozialen Systeme stehen, die mit dem Andauern von drei langen Wintern schließlich ihr Ende finden, weil sich die Moraldefinitionen der Menschen negativ verschieben. Diesem apokalyptischen Albtraumbild verpasst der in Philadelphia lebende Ill Clinton einen Sound, der manchmal kraftlos wirkt, weil der Produzent beispielsweise häufig mit hohlen Drums operiert, der aber durch seine Fragilität auch gleichzeitig das Motiv der bevorstehenden Komplettzerstörung genial nutzt, um beim Zuhörer ein entsprechendes Kopfkino in Gang zu setzen, welches die verschiedenen Soundflächen mühelos bebildern kann. Das Instrumentalalbum bietet auf 14 kurzen Tracks, die aufgrund ihrer gleichen musikalischen Lokalisierung so etwas wie einen roten Faden erkennen lassen, eine fast gespenstische Ausstrahlung, deren beste Momente auch Soundspuren eines Spielfilmes füllen könnten. Allerdings wünscht man sich, dass Ill Clinton verzogener wirkt, um ein wenig aus den Mustern ausbrechen zu können und etwas kompliziertere Strukturen nicht zu kurz kommen zu lassen, damit mehr Abwechslung hereinkommt.

Ill Clinton - Ragnarok
2013
Label: I Had An Accident

Twelve Reasons To Die

Obwohl Ghostface Killah mittlerweile schon seit 20 Jahren Veröffentlichungen mit seiner superben Stimme und seinem famosen Flow bereichert, hat dieser Kerl immer noch nicht genug davon, den Kreativen zu spielen. Seine Solokarriere umfasst nun schon zehn Studioalben und ist die mit Abstand eindrucksvollste aller Clan-Mitglieder. "Twelve Reasons To Die" fügt dem reichen Katalog fraglos einen weiteren Höhepunkt hinzu, da der Rapper vergnüglich seine süchtig machenden Raps mit dem auf CD gebannten B-Movie-Flavour verquicken kann und weil dessen Partner Adrian Younge ihn regelrecht mit seinen geschmackssicheren, aber auch verdammt spannenden Produktionen auf insgesamt 12 Anspielstationen verwöhnt. Die anachronistische musikalische Stimmung ist dabei keineswegs so trocken oder vorhersehbar, wie sie schon des Öfteren zu hören war, sondern kann trotz all ihrer anständigen Gepflegtheit auch verletzlich oder unheimlich dreckig wirken. Ghostface versucht dagegen überzeugend die Brutalo-Klaviatur zu spielen, indem er die verschiedenen Ministorys einer filmwürdigen Geschichte mit unverstelltem Zynismus ausstattet und seine Finger nicht von Mafia-Referenzen lässt. Das ist so unwiderstehlich und jaw-dropping, dass selbst das etwas formelhafte und ausgelutschte damsel-in-distress-Motiv da kaum negativ ins Gewicht fällt. Ein paar Monate später erschien übrigens noch eine ganz offizielle alternative Version zum originalen "Twelve Reasons To Die", die den Untertitel "The Brown Tape" trägt und vollständig vom Detroiter Beatbauer Apollo Brown produziert wurde.

Ghostface Killah - Twelve Reasons To Die
2013
Label: Soul Temple

Wolves in the Bronx

Wenn der laute Stoff, den die Radiosender rauf und runter spielen auffälliger Einheitsbrei ist, dann repräsentieren die Anspielangebote auf "Wolves in the Bronx" einen unauffälligen Einheitsbrei, der sich zwar anderer Formeln bedient, aber letztendlich doch zu einem ähnlichen Ergebnis kommt. Obschon es dem Album von Seven Star an roher Schlechtigkeit mangelt und der Reimakteur mit Sicherheit kein Fatzke mit peinlicher Realitätsverzerrung ist, sind es nur wenige Dinge, die man "Wolves in the Bronx" positiv zuschreiben kann. Löblich ist es allerdings, dass man es nur bei neun durchschnittlich langen Tracks belassen hat, anstatt dem Konsumenten noch weitere Zeit von seinem ohnehin nicht üppigen Konto zu stehlen, die dieser in eine andere Beschäftigung vielleicht hätte besser investieren können. Vermag der durchgehende Hunger des Emcees nach analysierender Introspektion noch bewundernswert sein, wischt die ärmliche Equipierung des stark limitierten und meist drucklosen Conscioussounds alle Hoffnungen weg, in diesem Werk etwas Profundes zu entdecken, was tatsächlich über den bedürftigen Selbsttherapieversuch eines nachdenklichen Künstlers hinausgeht. Dieser tingelt schlussendlich auch nur von einem Track zum nächsten, ohne auffällig zu werden und echte Akzente auf den halbdunklen Beats zu setzen.

Seven Star - Wolves in the Bronx
2013
Label: -