"Conflicts & Confusion" ist ein in allen Zügen unterhaltendes Album,
das sich aber weder mit spektakulären Einfällen noch durch eine
vielgestaltige Ideenbasis von anderen Releases abzuheben weiß.
Allerdings ist es auch keines von diesen merkwürdig toten,
mechanisierten CDs, deren Geistlosigkeit kaum mehr übertroffen werden
kann. Auf "Conflicts & Confusion" findet sich in brav-linearer
Kompaktheit einfach das zusammen, was irgendwie auch zusammengehört.
Rustikale Texte, die sich um bedächtige Schuldeingeständnisse,
Verbrechenstouren und vergangene wie kommende Entgleisungen drehen,
vorgetragen auf pfeifenden und basslastigen Produzentenbeiträgen. Rapper
Crime Boss konzentriert sich ganz auf essenzielle Themen, anstatt
überschwänglich dem Pimpshit zu frönen, kredenzt er zusammen mit der
Gruppe The Fedz, die auf mehreren Tracks gefeatured sind, lieber ein
Hardcore-Brett nach dem anderen. Das von Suave House stammende Album
lässt sich wie alle übrigen Platten des Labels aus Houston leicht
konsumieren, obschon es deutlich massenkompatiblere Werke gibt. Ein
entscheidendes und prägendes Charakteristikum gibt es bei Crime Boss
leider nicht, wenn man jedoch ein Merkmal nennen müsste, wäre das wohl
seine Stimme. Das angenehm tiefe Organ des selbsternannten
Verbrechenschefs liegt nämlich ziemlich gut auf den Produktionen von
T-Mix und E-A-Ski, bleibt im Kopf hängen und drängt sich nicht in
störender Weise auf. Unterm Strich ist der Nachfolger des Debüts "All In
The Game" nicht als Vorbote irgendeines Trends zu betrachten, auch
nicht wie ein Furunkel einer aus der ökonomischen Perspektive
uninteressant werdenden Musikrichtung namens Ganstarap. Er ist nichts
anderes als eine konventionelle Brühe bewährter Mittel und Styles - und
das ist in diesem Fall sogar mal ausreichend.
Crime Boss - Conflicts & Confusion
1997
Label: Suave House
Montag, 31. März 2014
Yeezus
Dass Kanye West offen für neue Versuche ist, bewies er schon mit "808's
& Heartbreak“, auf welchem er von der Autotune-Methode reichlich
Gebrauch machte. Auf "Yeezus" nutzt er ebenfalls vereinzelt die
prominente frequenzregelnde Praxis, um die Stimme zu pimpen, doch als
charakteristisch dringen andere Elemente in die Gehörgänge ein. Herr
West überrascht nämlich sowohl mit einer Instrumentensauerei wie auch
einer energetisch-vibrierenden Leere, die entweder durch relative
Strukturlosigkeit oder temporären Minimalismus auffallen. Er hat damit
einen prototypischen Antagonisten seines Debüts "The College Dropout"
erschaffen, welches sich akustisch noch stark makellos anfühlte. Seine
aus House-, Industrial-, und Elektro-Platten extrahierte Mischung
verdichtet sich tatsächlich zu einem Gemälde mit Rissen und unglatten
Stellen, wofür man ihn deutlich loben muss, da er durch seinen mutigen
Ansatz den Anforderungen des Massenmarktes trotzt und als Künstler nicht
stehen bleibt. Simultan dazu vermisse ich jedoch einen originären
Synergismus, der alle inhaltlichen und formellen Aspekte zu einer
Krafteinheit vereint und nicht nur lose und letztendlich kraftlos in der
Luft herumhängen lässt. So sehr hier auch versucht wird, die
Tonmuskulatur kräftig anzuspannen, die Synthesizer-Sixpacks zu
demonstrieren, an der Intensitätsschraube zu drehen und mit würdevoller
Düsternis zu punkten, es wirkt schlussendlich alles nur augenscheinlich
clever und hässlich. Da muss man gar nicht erst das fragwürdige
Frauenbild von Kanye West anprangern, um das Werk zu diskreditieren, wie
es einige pseudo-pfiffige Kritiker getan haben. Es reicht schon auf
gute Ansätze aufmerksam zu machen, wie es sie auf diesem Album zahlreich
gibt, die jedoch meistens durch lyrische Unfähigkeit und die
mittelmäßige Instrumentierung impotent gemacht werden.
Kanye West - Yeezus
2013
Label: Def Jam
Kanye West - Yeezus
2013
Label: Def Jam
Jake The Flake & The Flint Thugs
Wenn man über Gangstarap aus dem Underground spricht, wird man sich
zwangsläufig auch mit der Stadt Flint im Bundesstaat Michigan
beschäftigen müssen, die einige der talentiertesten
Kompromissverweigerer hervorgebracht hat. Aus dem Ort, der in
Statistiken Jahr für Jahr als einer der gefährlichsten der gesamten USA
ausgewertet wird, firmieren die bekanntesten Straßenhelden unter Namen
wie Dayton Family und Top Authority. Wenn es um Solokünstler geht, steht
neben Billboard-Stürmer MC Breed auch ein Typ mit dem Künsteralias Jake
The Flake, der in seiner Karriere zugegebenermaßen weniger Fame
abbekam, der jedoch keinesfalls den Genannten in Sachen Talent und
Themenfixierung irgendwie nachsteht. Wie es für das Flintrap-Ambiente
typisch ist, erliegt auch Jake The Flake nicht der Idee, große und
tiefschürfende Gedankenfetzen über das Weltgeschehen abzufeuern.
Stattdessen kippt er arrogante Gangstatales und rüde Dealerskizzen über
unverkrampfte Synthieproduktionen, dass es nur so nach einer Überhöhung
des Gangsterlebens stinkt. Allerdings weiß der schwer hustlende Jake
trotzdem um uncoole Sichtweisen bescheid, weshalb er sich hin und wieder
ebenfalls um die Kehrseiten eines Gauner-Lifestyles kümmert.
Instrumentiert wurde das Compilation-artige "Jake The Flake & The
Flint Thugs" größtenteils von Sinister Prime und Frank G, die ihren
Sound frei von exotischen Bestandteilen gehalten, dagegen auf
Altbekanntes aus Flint gesetzt haben. Eingeweihte wissen bei dieser
Formulierung, dass es sich natürlich nur um knackig-rumsende Drums und
monströse Basslines handeln kann. Gleichzeitig spielt man aber genauso
mit Kontrasten, unterläuft die Hardcoreness durch weich klingende
Melodien. Doch das greift in keinem Fall die morbide Gesamtatmosphäre
an, weitet sie hingegen vielmehr aus.
Jake The Flake - Jake The Flake & The Flint Thugs
1998
Label: Power
Jake The Flake - Jake The Flake & The Flint Thugs
1998
Label: Power
Samstag, 29. März 2014
Ragnarok
"Ragnarok", ein auf 100 Tapes limitiertes Projekt, welches über die
kleine Firma I Had An Accident Records in Umlauf gebracht wurde,
pendelt, die Ohren verwöhnend, stimmungs- und gefühlsmäßig zwischen
kollektiver Schwermut und individueller Perplexität, also verdüsterten
Perspektiven auf die existenziellen Fragen. Der Begriff Ragnarok
soll in der nordischen Mythologie für den massiven Umbruch der sozialen
Systeme stehen, die mit dem Andauern von drei langen Wintern schließlich
ihr Ende finden, weil sich die Moraldefinitionen der Menschen negativ
verschieben. Diesem apokalyptischen Albtraumbild verpasst der in
Philadelphia lebende Ill Clinton einen Sound, der manchmal kraftlos
wirkt, weil der Produzent beispielsweise häufig mit hohlen Drums
operiert, der aber durch seine Fragilität auch gleichzeitig das Motiv
der bevorstehenden Komplettzerstörung genial nutzt, um beim Zuhörer ein
entsprechendes Kopfkino in Gang zu setzen, welches die verschiedenen
Soundflächen mühelos bebildern kann. Das Instrumentalalbum bietet auf 14
kurzen Tracks, die aufgrund ihrer gleichen musikalischen Lokalisierung
so etwas wie einen roten Faden erkennen lassen, eine fast gespenstische
Ausstrahlung, deren beste Momente auch Soundspuren eines Spielfilmes
füllen könnten. Allerdings wünscht man sich, dass Ill Clinton verzogener
wirkt, um ein wenig aus den Mustern ausbrechen zu können und etwas
kompliziertere Strukturen nicht zu kurz kommen zu lassen, damit mehr
Abwechslung hereinkommt.
Ill Clinton - Ragnarok
2013
Label: I Had An Accident
Ill Clinton - Ragnarok
2013
Label: I Had An Accident
Twelve Reasons To Die
Obwohl Ghostface Killah mittlerweile schon seit 20 Jahren
Veröffentlichungen mit seiner superben Stimme und seinem famosen Flow
bereichert, hat dieser Kerl immer noch nicht genug davon, den Kreativen
zu spielen. Seine Solokarriere umfasst nun schon zehn Studioalben und
ist die mit Abstand eindrucksvollste aller Clan-Mitglieder. "Twelve
Reasons To Die" fügt dem reichen Katalog fraglos einen weiteren
Höhepunkt hinzu, da der Rapper vergnüglich seine süchtig machenden Raps
mit dem auf CD gebannten B-Movie-Flavour verquicken kann und weil dessen
Partner Adrian Younge ihn regelrecht mit seinen geschmackssicheren,
aber auch verdammt spannenden Produktionen auf insgesamt 12
Anspielstationen verwöhnt. Die anachronistische musikalische Stimmung
ist dabei keineswegs so trocken oder vorhersehbar, wie sie schon des
Öfteren zu hören war, sondern kann trotz all ihrer anständigen
Gepflegtheit auch verletzlich oder unheimlich dreckig wirken. Ghostface
versucht dagegen überzeugend die Brutalo-Klaviatur zu spielen, indem er
die verschiedenen Ministorys einer filmwürdigen Geschichte mit
unverstelltem Zynismus ausstattet und seine Finger nicht von
Mafia-Referenzen lässt. Das ist so unwiderstehlich und jaw-dropping, dass selbst das etwas formelhafte und ausgelutschte damsel-in-distress-Motiv
da kaum negativ ins Gewicht fällt. Ein paar Monate später erschien
übrigens noch eine ganz offizielle alternative Version zum originalen
"Twelve Reasons To Die", die den Untertitel "The Brown Tape" trägt und
vollständig vom Detroiter Beatbauer Apollo Brown produziert wurde.
Ghostface Killah - Twelve Reasons To Die
2013
Label: Soul Temple
Ghostface Killah - Twelve Reasons To Die
2013
Label: Soul Temple
Wolves in the Bronx
Wenn der laute Stoff, den die Radiosender rauf und runter spielen auffälliger Einheitsbrei ist, dann repräsentieren die Anspielangebote auf "Wolves in the Bronx" einen unauffälligen
Einheitsbrei, der sich zwar anderer Formeln bedient, aber letztendlich
doch zu einem ähnlichen Ergebnis kommt. Obschon es dem Album von Seven
Star an roher Schlechtigkeit mangelt und der Reimakteur mit Sicherheit
kein Fatzke mit peinlicher Realitätsverzerrung ist, sind es nur wenige
Dinge, die man "Wolves in the Bronx" positiv zuschreiben kann. Löblich
ist es allerdings, dass man es nur bei neun durchschnittlich langen
Tracks belassen hat, anstatt dem Konsumenten noch weitere Zeit von
seinem ohnehin nicht üppigen Konto zu stehlen, die dieser in eine andere
Beschäftigung vielleicht hätte besser investieren können. Vermag der
durchgehende Hunger des Emcees nach analysierender Introspektion noch
bewundernswert sein, wischt die ärmliche Equipierung des stark
limitierten und meist drucklosen Conscioussounds alle Hoffnungen weg, in
diesem Werk etwas Profundes zu entdecken, was tatsächlich über den
bedürftigen Selbsttherapieversuch eines nachdenklichen Künstlers
hinausgeht. Dieser tingelt schlussendlich auch nur von einem Track zum
nächsten, ohne auffällig zu werden und echte Akzente auf den halbdunklen
Beats zu setzen.
Seven Star - Wolves in the Bronx
2013
Label: -
Seven Star - Wolves in the Bronx
2013
Label: -
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