Donnerstag, 24. Oktober 2013

Parts of Speech

Während Dessa auf ihrem ersten Album noch zwischen Gesang und Rap changierte, vertraut sie auf ihrem neuesten Streich auf ihre Singfähigkeiten, auch wenn sie zweitgenannten Stil nicht vollständig verneint. Darben muss aber niemand, wenn die Platte erst einmal gestartet ist, denn Dessa versteht es hervorragend, ihr Organ in die von vielen unterschiedlichen Produzenten geschaffenen Soundflächen einzubetten. Ihre Lieder entfalten Gefühle, Gedanken und Geschichten über ganz universelle Themenkomplexe und lassen konventionelles Hip Hop Feeling meist vermissen. Der Widerstand gegen die Stromschwimmerei wird jedoch nur diejenigen entgeistern, die Dessa unfair kategorisiert und ihren Horizont falsch eingeschätzt haben. Auch die seit Jahrzehnten aktive und einflussreiche Kritikerfigur Robert Christgau erkannte nach Erscheinen ihres Debüts "A Badly Broken Code" das Potenzial der Dame aus Minneapolis und kam zu dem richtigen Schluss, dass sie keine alltägliche Gestalt im Geschäft ist, in welchem man mit coolen Punchlines mehr Respekt einfährt, als mit Zeilen, die aus den tiefsten Schluchten der Gedankenwelt mühsam nach oben gebracht wurden. Ihr Songwriting, welches sich meist auf Beziehungsgeschichten bezieht, erschafft deshalb auch die berührendsten Storytelling-Songs, die man im Hip Hop Genre je gehört hat. Selbst bei gefährlicher Nähe zu Kitsch und verklärten romantischen Fantasien sind diese nämlich noch ein Genuss und bringen genug Argumente mit, dass man sich ihnen mehr als nur einmal zuwendet. Folgerichtig erweist sich "Parts Of Speech" als verführerischer Zeittöter, der den Druck auf die Repeattaste regelrecht provoziert, wobei dafür neben den Texten natürlich noch die Bauelemente des musikalischen Rahmens sorgen, der einer Verzauberung mittels hypnotisch wirkender Beats Vorschub leistet.

Dessa - Parts of Speech
2013
Label: Doomtree

Beautiful Raw

Man hätte es ja wissen müssen. Nach dem musikalisch sehr imponierenden, aber textlich relativ zahmen "So Be It" veröffentlichte das Duo nur ein Jahr später das dritte Album und bestätigte mit "Owl" den kreativen Abstieg, der nach ihrem legendären Erstling begann. Wer nun gedacht hat, dass die Jungs sich dafür interessieren würden, mit dieser logischen Kette des stufenweisen Niveauabbaus zu brechen, hat leider auf die falschen Pferde gesetzt. Denn auf ihrem neuen Werk "Beautiful Raw" tun die beiden Künstler wirklich alles dafür, um konform mit den Wünschen der allgemeinen Szene-Hörerschaft zu gehen. Das heißt jedoch, zumindest nach den ungeschriebenen Regeln des Marktes, die Musik zu verflachen, sie übersichtlicher zu machen und überhaupt beliebiger klingen zu lassen. Zwar zeugte schon "Owl" von einer bescheuerten Anpassungsattitüde, zu der sich Qwel und Maker hinreißen ließen, doch war die Entindividualisierung dort dennoch nicht so weit fortgeschritten, dass man sagen konnte, die beiden würden nicht mehr von ähnlichen Gruppen unterscheidbar sein. Mit "Beautiful Raw" lässt sich allerdings ein neuer Abschnitt der Gruppenkarriere vermerken, weil die beiden in meinen Ohren mit diesem Album die Grenze zur X-Beliebigkeit überschritten haben. Verzichtet Qwel größtenteils auf die schwer kryptischen lyrischen Entwürfe alter Tage, geht aber wenigstens nicht dazu über, seine Texte komplett zurechtzudoofen, lässt Maker alles vermissen, was sich irgendwie mit Begriffen wie Verrücktheit oder Schlitzohrigkeit in Verbindung bringen lässt. Seine Beträge sind deshalb fast ausnahmslos von adretter Erscheinung, aalglatt und hören sich an, als wären sie produziert worden, um schnell wieder vergessen zu werden. Doch enttäuscht dürfte man trotzdem nicht sein - man hätte es ja wissen müssen.

Qwel & Maker - Beautiful Raw
2013
Label: Galapagos4

Sonntag, 25. August 2013

Letters From Laika

Die im Jahr 2012 erschienene EP "Pangean Drift" wies schon daraufhin, welchen Sound man vom Longplayer erwarten konnte. Extrem lebendige Klangflächen, Erledigungen bestimmter Muster wie auch gleichzeitige Entsagung an die sich ewig wiederholende Sample-Ergötzung. Das Album löst das Versprechen freilich ein und lässt sich irgendwo zwischen einem auf dem Experimentiertisch lange montierten Produkt und einer ohne eines unnötigen Extragedankens aufbereiteten Platte einordnen, die keine 35 Minuten dauert, aber lyrisches und soundästhetisches Gewicht mitbringt, das locker für zwei CDs reichen würde. Neben dem exzellenten Songwriting gewinnt Kay die Zuhörer ebenfalls mit coolen Flows für sich, die in den meisten Fällen ziemlich flott daherkommen und vor allen Dingen exquisit zu den luftigeren Produktionen passen. Dank der Live-Instrumentierung herrscht ohnehin keine Langeweile und Factors elektrisierend-intensive Achtziger-Anlehnungen bilden in ihrer Ausstaffierung einen Spiegel, in dem sich das bisherige Schaffen des kanadischen Produzenten problemlos analysieren und zusammenfassen lässt; ein Schaffen, in dem es darum geht, ohne Umständlichkeiten kreative Freiheiten zu entwickeln, ohne auf der elitären Schiene zu fahren und darum superindividuelle wie ultra-unkonventionelle Beats entwickeln zu müssen. Seine Arbeiten sind deshalb auch auf "Letters From Laika" einem schönen Gleichgewicht verpflichtet, egal ob er futuristische, melancholische oder gar unheimlich schmissige Rapbegleitungen kreiert. Längst ist auf der CD nicht alles perfekt und von Schmutzflecken unberührt, doch bieten die kritikwürdigeren Elemente noch lange nichts, wofür man sich in den Schmollwinkel zurückziehen müsste.

Kay The Aquanaut & Factor - Letters From Laika
2013
Label: Circle Into Square

Freedom Of Speech

Eigentlich müsste "Freedom Of Speech" in aller Munde sein, denn das zweite Album der Londoner Rapperin ist ein Feuerwerk an Emotionen. Doch wie bei Big Dada Veröffentlichungen üblich wurde hier nicht primär auf die Verkaufszahlen geschielt, sondern auf Qualität gesetzt, die sich sowohl im Gesamtpaket wie auch im Detail finden lässt. Man war also darauf fixiert, den Langspieler nicht zu trendy klingen zu lassen. Mögen schmierig rhythmische Reize und oberflächliches Spacko-Geschwätz verkaufsfördernd sein, in Speech Debelles Welt geht es um aufrichtige Gefühle, weshalb einzig die Single "I'm With It" etwas von Aufdringlichkeit besitzt. Der Rest ist betont ruhig und reduziert, die Produktionen nie überfrachtet. Alleinunterhalter Kwes. legt schmissige Melodien und gemächliche Gitarrenakkorde auf, die mit einer wunderbar femininen Stimme einen Vermischungsprozess eingehen und folglich den Soul der Texte spürbar machen. Und welch atemberaubende Intimität der bisweilen in einer Art Flüsterton gehaltene Rap erzeugt! Es mochte 2009 noch eine große Überraschung gewesen sein, als die junge Rapperin den in der Independent-Szene beliebten Mercury Music Prize für ihr Debüt "Speech Therapy" entgegennahm, doch nach diesem Werk ist die Londonerin weit mehr als nur Big Dada Nachwuchs. Der Frau eine große künstlerische Perspektive zu bescheinigen, das fällt nicht schwer. Speech Debelles gut aufgestelltes Lyrics-Portfolio - auf "Freedom Of Speech": Schuldbekenntnisse, Liebesbeziehungs-Poetik, gesellschaftspolitische Überlegungen u.v.m. - ist dabei genauso eine offenkundige Stärke wie ihre sinnliche Stimme. Das nächste Album kann kommen.

Speech Debelle - Freedom Of Speech
2012
Label: Big Dada

G Is For Deep

Hip Hops Micky-Maus-Stimme Doseone testet mit "G Is For Deep" ein weiteres Mal die Dehnbarkeit von Hip Hop und schaut, wie weit er gehen muss, um es auf die Spitze zu treiben. Längst nicht jeder ist ihm bereit zu folgen, doch zumindest hat er für dieses Soloalbum endlich auch seine Heimat Anticon als Releaseplattform gewählt, womit doch wenigstens sichergestellt sein müsste, dass die CD den ganzen Experimentalrap-Aficionados nicht durch die Lappen geht. Denn die sind es hier, die eine freundliche Bedienung erfahren, während der Rest sich die Frage stellen wird, was dieser elektronische Soundkonfetti denn nun mit Hip Hop zu tun hat. Berechtigt ist die Position der Doseone-Verweigerer durchaus, zumal das Am-Rad-Drehen des Künstlers aus Ohio immer beklopptere Formen anzunehmen scheint. Mit dem alten Zeug aus den Neunzigern weist "G Is For Deep" jedenfalls kaum Schnittpunkte auf. Um auf diesem Album hundertprozentige Raps zu hören, braucht man zwar keine guten Einbildungsfähigkeiten, dafür aber viel Geduld. Empfehlenswert ist dennoch die Bereitschaft, zappeligen und wurstelnden Singsang als Rap zu akzeptieren, oder sich erst gar keinen Kopf darum zu machen, was der ehrenwerte Herr nach allgemeingültigen Definitionen während des Entstehungsvorgangs in der Aufnahmekabine tatsächlich getrieben hat. Rap oder Gesang - egal. Und wenn das Kunstwerk das Kind eines Künstlers ist, so lässt sich mühelos konstatieren, dass es sich bei diesem Werk mindestens um ein schönes Kind handelt. Ständig in psychedelischen und surrealistischen Sphären unterwegs, übt der Soundtrack durch wummernde Bässe und dissonanten Mischmasch eine magische Anziehung aus, der man sich zumindest dann gerne aussetzt, wenn nicht im Einklang spielende Instrumente nicht zu den K.-O.-Kriterien gehören. Obwohl kein Unterstützer der Geschmackssache-Floskel, will mir kein Textende einfallen, welches an dieser Stelle passend wäre. Deshalb bleibt mir nur die Wahl, den Konsumenten mitzuteilen, dass die Beurteilung der hier vorgetragenen Gesangsparade eines Nonkonformisten ganz besonders vom soundästhetischen Geschmack jedes Einzelnen abhängt.

Doseone - G Is For Deep
2012
Label: Anticon

The Block Brochure: Welcomet to the Soil 1

Wenn man der populärsten Informationsquelle im World Wide Web vertrauen kann, stellt die erste Ausgabe der dreiteiligen "Block Brochure"-Reihe das schon fünfzehnte Soloalbum des alten Hasen aus Vallejo dar. Ich spreche natürlich sehr vielen Meinungen Hohn, wenn ich schreibe, dass E-40 seit Anbeginn seiner Karriere zu den langweiligsten Exemplaren an der Westküste zählte und dass sich daran im Laufe der Zeit nicht im Geringsten etwas geändert hat; aber da ich eine gewisse Transparenz bei meinen Schreibergüssen unterstützen möchte, darf es kein Geheimnis sein, welche Meinung ich über E-40 meine eigene nenne. Obwohl "Welcome To The Soil 1" bei Unterstützern und langjährigen Hörern gut ankommen dürfte, fällt die fidele Superfühl-Musik bei mir komplett durch. Die nicht mal so selten von galaktischer Dämlichkeit durchzogenen Texte mit ihren tumben Egoaufputsch-Lines und der dazugehörigen postpubertären Komik lassen nicht nur komplett kalt, ihnen fehlt auch die musikalische Absicherung, die normalerweise dazu dient, das Straßenrap-Gesülze überhaupt konsumierbar zu machen. Doch in diesem kruden Matsch aus trendiger Boom-Boom-Hip Hop-Betörung und halb gelungener Tiefbass-Kopfnicker sucht man größtenteils vergeblich nach so etwas wie Klasse. Manchmal sollte man einfach nur dem Cover glauben: E-40 verkauft das Leben in der Hood als Zirkusshow. Tretet ein, und amüsiert euch.

E-40 - The Block Brochure: Welcomet to the Soil 1
2012
Label:  Heavy On The Grind

Donnerstag, 4. Juli 2013

Busdriver - Beaus$Eros

Wenn "Beaus$Eros" (wird "bows and arrows" ausgesprochen) etwas erstklassig kann, dann die Durchkreuzung der Pläne all jener Menschen, die sich die Veröffentlichung wegen den alles an die Wand spielenden Flows von Busdriver anhören wollen. Es ist nun nicht unbedingt so, als wenn der über-alternative Rapper aus Los Angeles die Offenlegung seines Raptalents komplett verweigert, dennoch ist sein Interesse an der Ausstellung brillant eingerappter Takes merklich gering. Den Hauptanteil der CD verbringt Busdriver stattdessen mit leidenschaftlichem Singen und stöhnendem Herumsummen, was dem ein oder anderen Hörer Toleranz abfordern dürfte. Seinem Status als Vorzeige-Avantgardist der Hip Hop Szene gerecht werdend, versucht es der Mann ständig mit mutigen wie kreativen Grenzübertretungen, verkriecht sich nicht hinter bekannten, tausendmal eingespielten Mustern, fordert dafür Gelüste vom Konsumenten, die sich keineswegs in Begriffen der Sorte Probierwillen und Entdeckerlust erschöpfen. So richtet sich "Beaus$Eros" nicht einmal wirklich an die Musikliebhaber, denen Experimentierfreudigkeit in ungewöhnlich hoher Dosis nichts ausmacht, sondern an solche, die den Geist des Ausprobierens als Standard einer Platte voraussetzen. Obwohl Busdriver mit dem zuständigen belgischen Knöpfedrücker Loden nur Kontakt über die elektronische Post hatte, ist das Album als Ergebnis Harmonie pur. Das verwundert erheblich, denn in Anbetracht der Tatsache, dass man hier wilde Tanzparkett-Uptempo-Disko-Basteleien und zerfranste Schneckentempo-Keyboardmelodien nebeneinanderstellt, ist die Herstellung eines harmonischen Ganzen nicht gerade als Selbstverständlichkeit zu begreifen. Allerdings ist der Langspieler nicht das erste Werk, welches die Einheitlichkeit aus der vermeintlichen Disharmonie zieht, und ich bin mir sicher, dass es nicht das letzte sein wird. Wie es mit CDs von Busdriver halt so üblich ist, bleibt ihre analytische Vermessung ein schwerer Akt, den jeder unbedingt selbst vornehmen sollte. Meine Wenigkeit kann sich mit vielen Tracks sehr gut anfreunden, doch von Fesseln und Faszinieren kann keine Rede sein.

Super Black: Voice Of The Voiceless

Laut Mr. D.E. soll das Album der Versuch sein, Hip Hop wieder mit Inhalt zu füllen und vor allen Dingen zurück auf die Straßen zu befördern, allerdings nicht um egoistische Positionen zu vermarkten, sondern den Geist der jungen Menschen zu schärfen und das Gemeinschaftsgefühl zu stärken. Wenn auch "Super Black: Voice Of The Voiceless" deshalb wahrscheinlich das persönlichste und ambitionierteste Release vom Mann aus Sacramento geworden ist, leiden seine zwischen Unterhaltung und Anspruch pendelnden Songs leider an unterschiedlicher Qualität, die dafür sorgt, dass die eher miese zweite Hälfte etwas separiert da steht. Hierdurch ist die Platte in einem Stück schwer genießbar, zumal das nichtssagende Grundmotiv der monotonen Pianomusik am Anfang, im Mittelteil und ganz hinten nach einigen Hördurchgängen so ziemlich auf den Senkel geht. Bis auf die Tatsache aber, dass es weder wie aus einem Guss klingt noch tatsächlich durchdacht und konzeptionell klingt, leistet sich dieses von First Degree The D.E. und Phonk Beta produzierte Album wenige Momente, auf die man kritisierend den Finger zeigen könnte. Den einzigartigen Vortragsstil, den er in den Jahren nach seinem Debüt 1995 fortschreitend weiter entwickelte, und welcher seinen Höhepunkt offenbart, wenn D.E. seiner Stimme einen metallischen Klang verpasst, demonstriert First Degree selbstverständlich auch hier, womit er sich von der Myriade von Rappern abgrenzt. Es sei noch darauf hingewiesen, dass der Longplayer entgegen seinem Namen, der rassistische Inhalte vorausahnen lässt, keine feindlichen Einstellungen propagiert und First Degree The D.E. sich für die sogenannte racial equality ausspricht, wenngleich er mit dem Song "Listen Up, Ya Honkey!" für kleinere Kontroversen sorgte.

First Degree The D.E. - Super Black: Voice Of The Voiceless
2012
Label: Fahrenheit

Mittwoch, 19. Juni 2013

People Hear What They See

Obwohl "This is hip hop"-Ausrufe und Realness-Zuschreibungen in der Diskussion um "People Hear What They See" stark präsent sind, darf man die neue Veröffentlichung von Oddisee nicht allein auf seine nostalgischen Auswüchse eingrenzen. Thematisch und musikalisch setzt der junge Produzent und Rapper nämlich eindeutig eigene Akzente, vor allem wenn er in seinen bärenstarken Lyrics die Grenzen der Wahrnehmung auslotet und mit verschiedenen Perspektiven spielt. Natürlich verhält sich sein Sound Mello Music-typisch etwas zu laid back, um das Konzept des Albums vollständig aufgehen zu lassen, doch sind die Beats keinesfalls so sehr beschränkt, dass sie sich auch unter dem Label "austauschbar" subsumieren ließen. Somit kann ich "People Hear What They See" insbesondere solchen Leuten ans Herz legen, die mal wieder Lust auf ein richtig gutes Album haben, welches ohne sogenannten Schnickschnack auskommt.

Oddisee - People Hear What They See
2012
Label: Mello Music Group

There Is Only Today

Für dieses Release müssten dem in Toronto lebenden Produzenten und Rapper Muneshine die Ohren lang gezogen werden. Er hat doch tatsächlich die Eier, dem Hörer auf über 50 Minuten ein riesengroßes Nichts anzubieten. Seine Bemühungen sind ein wildes Herumstochern auf der Space-Taste; und Muneshine selbst ist so hoffnungsvoll zu glauben, dass mit dieser Methode was Anständiges bei herumkommt. Weil jedoch immer noch das klischeebehaftete Urteil existiert, alle Alben, in denen es nicht um paarungswillige Hoes, fette Karren und schicke Klamotten geht, seien geil, wird auch diese komplett verhunzte Veröffentlichung ihr Publikum finden. Dabei nervt gar nicht so sehr die ständige Selbstdarstellung des Kanadiers, als vielmehr die lustlosen und gänzlich unerotischen Produktionen. Selbst die Zone der Durchschnittlichkeit ist zu weit weg für den hässlichen Jazz-und-Soul-Brei, der unter anderem von Illmind, M-Phazes, Buckwild und natürlich Muneshine selbst kommt. Wenn Hip Hop sich nur so anhöre wie auf "There Is Only Today", also als eine Konstruktion auftauche, in der Power und Verve fremde Begriffe wären, gebe es nicht einmal den Stillstand, weil die Konstruktion über kurz oder lang sterben würde. Denn die musikalische Bewegung kann nur durch die Bewegung leben, den pulsierenden Strom der unbändigen Leidenschaft. Mit einer dem Hörer offenbarenden Leidenschaft hat "There Is Only Today" natürlich nicht das Geringste am Hut. Stattdessen heißen die omnipräsenten Attribute Kalkulation und Zurückhaltung.

Muneshine - There Is Only Today
2012
Label: Droppin' Science

Monochrome Skies

Aus irgendeinem mir unerfindlichen Grund meint es das Schicksal nicht wirklich gut mit "Monochrome Skies", wenn man sich mal die rezeptionstechnischen Stimmen der Kritiker anschaut. Obwohl der zweite Gruppenbeitrag von Hex One und Tek-nition auf klassische Strukturen setzt, aber alles andere als ein Album von vielen ist, tendiert die Hinweisgebung in den Internetmedien gen Null. Das ist insofern traurig, als dass im Normalfall mit dem Scheinwerferlicht für Innovations-Ablehner und Bumm-Tschack-Drückeberger nicht gerade gespart wird. Doch auch wenn die beiden Emcees von Epidemic ebenfalls in diesen bequemen Kategorien rangieren, verewigen sie sich wenigstens nicht als unglücklich Verirrte auf den Tonspuren, sondern zeigen prächtig fundierten Boom Bap wie man ihn sich deutlich öfter wünscht. Derweil diese Skill-angefüllten Reimspitter hier ihr durchgehend geglücktes Zusammenspiel zeigen und unter Beweis stellen dürfen, dass sie ihren Mund auf dem rechten Fleck haben, sind die simpel gestrickten Produktionen meist von einem düsteren Hauch umgeben. Der Luxemburger Jesse James versteht es bestens, mit Streicher-Loops zu arbeiten und obligatorische Plattenkratzersounds nicht nervig klingen zu lassen, was unter anderem auch zu gelungenen Oldschool-Parallelitäten führt und Nineties-Fans wie Schnitzel freuen lässt. "Monochrome Skies" ist auch deshalb schon noch eine Ausgabe der Music-To-Chill-To-Variante, die jedoch, ungeachtet ihrer ausgiebigen Wiederholung in Form von insgesamt 19 Songs, bis zum Schluss sehr viel Spaß bereitet. Der Grund hierfür liegt in der Konzentration der Highlights am Ende des Outputs, während die Platte am Anfang allerdings noch etwas vor sich hin wurschtelt.

Epidemic - Monochrome Skies
2012
Label: Mic Theory

Samstag, 15. Juni 2013

Trophies

Der knappe Titel nimmt Bezug auf die in der Gesellschaft grassierende Krankheit, jeden Erfolg wie einen Pokal auszustellen, um das persönliche Geltungsbedürfnis zu befriedigen und um der Welt mitzuteilen, was man erreicht hat. Das Credo der Gruppe lautet an dieser Stelle einfach: Nicht ausruhen und angeben, sondern aktiv bleiben! Man kann sich auf jeden Fall schlechtere Verteiler von Messages vorstellen, als O.C. aus dem Altherren-Sektor, dem man auf "Trophies" die Leidenschaft und den Spaß an Rap auch 18 Jahre nach seinem Debüt anmerkt. Powervoll flowt er über soulige, nicht selten energische Produktionen von Jungstar Apollo Brown, dem Hoffnungsträger sämtlicher Boom Bap Fanatiker. Gibt man sich mit simplen Loop-Techniken zufrieden, kann man auf dem Langspieler eine Menge Highlights entdecken. Dennoch muss sich das Album dafür kritisieren lassen, im Bereich der Beats nicht über das starre Kopieren von Mustern hinauszukommen. Apollo Browns künstlerisches Vorgehen verstärkt zwar den nostalgischen Touch, doch produziert bzw. stärkt es die gleichen Eingrenzungen, die schon einem großen Haufen anderer Neunziger-Jahre-Orientierungsalben etwas vom Potenzial stibitzten: der variationsarme Produktionsstil und die darauf aufbauende, auch heute noch beliebte Straight Rap-Mentalität.

Apollo Brown & O.C. - Trophies
2012
Label: Mellow Music Group

Skelethon

Die Rahmenbedingungen vor dem Release von "Skelethon" kamen mir nicht gerade verheißungsvoll vor, sollte das Album doch über die Firma Rhymesayers rauskommen, ein Label, bei welchem der Großteil der Künstler regelrecht darauf versessen ist, Realness-Schrott aus der Konserve als progressive Musik auszugeben. Wie das im Leben mit vorschnellen Befürchtungen so ist, flachen diese bei kleinsten Hoffnungsschimmern auch schon wieder ab. Die erste Single "Zero Dark Thirty" hatte nämlich mit einer bloß vorgetäuschten Progressivität nicht viel zu tun, Aesop wirkte auf dem hektischen Beat regelrecht so, als ob er das Genre am liebsten in ein neues Zeitalter transferieren würde, was selbst am Text in gewisser Hinsicht zu erkennen war, da der New Yorker in diesem Stück das Rapbusiness einer kritischen Überprüfung unterzog. Auch wenn sich die Erwartungen nach der Single mit dem präsentierten Inhalt auf dem Album nicht millimetergenau decken, leistet sich "Skelethon" keinen einzigen Wertungssenker in Trackform, und ist sowieso ein Werk, in das man sich eigentlich nur verlieben kann, obwohl es durchgängig mit intellektualisierten Textzeilen beladen ist. Das Geheimnis von Aesop Rock fand man sowieso seit jeher in der Verformung des Traditionellen, des Erweiterns des eigenen sowie des Hip Hop spezifischen Radius. Jedoch lag ihm schon immer das Bedürfnis fern, auf gesetzte Traditionen und Wegmarken des Genres vollständig zu verzichten. Deshalb ist Mister Bavitz ein Mann des Vergangenen, des Jetzt und des noch Folgenden. Seine Beliebtheit bei Szenekennern wird nicht abebben, bis Aesop sich dazu entschließt, standardisierte Genrestrukturen nicht mehr ernst zu nehmen. Käme es einmal dazu, wäre es schade, denn wie der Mann auf diesem Album komplexes Gedankengut aneinanderhängt, mit welcher Lust und mit welchem Trieb er auf minimalistischen, Skelett-artigen Drumsets die Übermacht seiner Raprhythmik repräsentiert, ist für meine Begriffe einmalig.

Aesop Rock - Skelethon
2012
Label: Rhymesayers

The Rebellion Against All There Is

Dass seine ersten zwei Alben feuchte Träume für Boom Bap-Muffel sind, ist wohl alles andere als eine steile These. Darüber, dass auf duften Synthiebrettern getragene jugendhafte Lyrik über Hustlen und Pimpen mindestens einen Klassiker-Status bedeutet, herrscht in der Szene bekanntlich ein strenges Kopfnicken. Allerdings verkauft Mac Mall schon längst keine feuchten Träume mehr, weshalb er heute unter einem herben Reputationsverlust leidet, wie nicht wenige Westcoastrapper, die in der Erntezeit des Gangstaraps ihre heißeste Phase hatten. Doch kommen wir zur Sache: "The Rebellion Against All There Is" ist im Grunde so entbehrlich wie jedes andere Album des Rappers aus Vallejo. Wer jedoch "Thizziana Stoned & Tha Temple of Shrooms" und "Da U.S. Open" mit Mac Dre gehört hat, darf aufatmen und durchaus Freudesprünge machen. Das liegt einerseits an der teilweisen Entbanalisierung der Texte, andererseits an vergleichsweise ordentlichen Produktionen von Khayree, die ohne die Bay-typischen Zappelphilipp-Orgasmen auskommen. Pfiffigen Menschen, denen der Titel Vermutungen über die Integration von politischen Inhalten entlockt, sei mitgeteilt, sich auf der richtigen Fährte zu befinden, schließlich trägt Mac Mal politischen und gesellschaftlichen Themen tatsächlich Rechnung. Allerdings fällt die Verarbeitung des verlogenen American Dream erwartungsgemäß oberflächlich denn fundiert aus. Ungeachtet dieser seltsamen Suche nach Relevanz und sonstiger bedeutungsloser Texte unterhalten insbesondere einige hübsch anzuhörende Beats. Federleichte Fingerschnipp-Instrumentals und zurückhaltende Bounce-Bomben hier, beeindruckende Bass-Quietscher sowie Drum'n'Bass-Experimente dort - Khayree muss sich auf keinen Fall schämen.

Mac Mall - The Rebellion Against All There Is
2012
Label: Young Black Brotha

The Birthwrite LP

Gewiss besagt ein krummer Kodex, dass man Debütanten nicht so hart anpacken sollte wie erfahrene Künstler, da sich die Newcomer schließlich in einem Stadium der Identitätsfindung und Erfahrungssammlung befänden, deshalb nur eine rücksichtsvolle Auseinadersetzung zum besten Urteil kommen könnte. Wie man die Sache nun angeht, ist jedem sein Bier. Nur sollte der ersten professionellen Gesamtarbeit einer künstlerisch tätigen Person keine falsche und falsch begründete Herzensgüte zukommen, womit wir schon beim Kern sind, meiner Meinung zu "The BirthWrite LP" von RationaL. Der einladende Sound aus besinnlichen Strings und organischen Percussions, genau wie das gleichzeitige Weglassen jedes Klimbims, entwirft zugegebenermaßen eine feine Bühne für RationaLs Reime, die sich beinahe ausschließlich mit ernsthaften Themen beschäftigen. Und doch ist das Konzept ein wenig zu simple-minded, die Textur mehr eine dürftig präsentierte Phrase denn Ergebnis eines tiefen Denkprozesses. Geschichten erzählend und seine Person reflektierend, hat RationaL freilich meine Sympathien auf seiner Seite, doch dass er auf seinem Erstling in kein Fettnäpfchen tritt, hat seine Ursache in der Einstellung des Rappers. Sein Vertrauen in die abgeschmackte Rezeptur scheint so groß zu sein, dass er gar keinen Gedanken daran verschwendet, auch mal eine andere Platte auflegen zu lassen. Um wieder etwas an die Anfangssätze heranzutreten, muss ich feststellen, dass im Falle von "The BirthWrite LP" eine Herzensgüte, die die Bewertung beeinflussen würde, übrigens nicht bloß aufgrund ihres total irrationalen Charakters nicht passe, sondern auch wegen der Anforderungen. Gerade das Einstandsalbum gilt doch als ein erstes Ausrufezeichen und sollte deswegen nicht für die Ausstellung von Untugenden wie Inspirationslosigkeit und Einfalt missbraucht werden.

RationaL - The Birthwrite LP
2012
Label: Ear Rational Music

C.A.R.

Nach seinem Debüt-Solo auf Anticon, dem oft sehr Lo-Fi-artigen und etwas leer wirkenden "Family & Friends", legte der sympathische Chicagoer Nonkonformist gleich wieder nach und setzte mit Jel und Odd Nosdam auf ein zuverlässiges und sehr übersichtliches Team. Deren chaotische Zusammensetzungen verschiedenster Klangmaterialien klingen dann glücklicherweise auch nicht mehr wie die gestutzten Anstrengungen auf dem Vorgänger, stattdessen wabert und schwabbelt es auf "C.A.R.", dass man manches Mal meint, die Produktionen seien in der Lage, Serengeti zu verschlingen. Dennoch kommen mir die Beats trotz ihrer experimentellen Note sehr minimalistisch vor und divergieren auch nur in wenige verschiedene Richtungen, sodass der Langspieler eine ungemein angenehme und unkonventionell geartete Einheitlichkeit aufzubieten hat. Können Stimmeffekte, ungewöhnliche Vocal Samples und außerordentlich konfuse bis humorige Lyrics einen weiteren Beitrag zum eigenbrötlerischen Ambiente leisten, erreicht Serengetis Performance stets die Grenze zum Trashigen. Doch seine Raptechnik, die so plump wie erfrischend ist, sein trockener und unbekümmerter Flow machen seine Geschichten, die in wirklich megasimple Reimstrukturen übersetzt werden, erst richtig königlich. "C.A.R." ist obendrein ein Hörerlebnis, welches erst nach mehrmaligen Konsumierversuchen zünden dürfte, weil es uns ständig mit Unberechenbarkeiten konfrontiert. Bringt man es jedoch fertig, sich auf das Album einzulassen, kommt man aus dem Sog nicht mehr so leicht heraus und erkennt bei sich vielleicht so etwas wie ein Suchtpotenzial für ulkige "Have sex with a horse, reconsider divorce"-Feststellungen.

Serengeti - C.A.R.
2012
Label: Anticon

ANX

Der durchschnittliche und mit Inbrunst bei der Sache tätige Dark Time Sunshine Hörer muss wohl ein unheimlich glücklicher Mensch sein, schließlich sind ihm größere Enttäuschungen hinsichtlich der seit 2009 veröffentlichenden Emcee-Producer-Kombo noch nicht widerfahren, weshalb nur der ein oder andere passionierte Brummbär in einem oder mehreren der bisherigen vier Releases große Mängel ausmachen dürfte. Stattdessen kullern beim Zuhören von "ANX" doch vielmehr Freudentränen die Wangen herunter, als würde man das eigene Kind beim ersten freiwilligen Marsch aufs Töpfchen beobachten. Wie die Vorgänger ist auch der neueste Versuch der Gruppe aufregend, relativ frei von kalkulierten Klangschablonen und vor allen Dingen abwechslungsreich, was das Zeug hält. In gewisser Hinsicht stellen die in alle erdenklichen Richtungen schwingenden Produktionen, welche mit tobenden wie charismatischen Synthies befeuchtet wurden, mit ihrer klassischen Note wieder einmal unter Beweis, dass man nicht rasend Konventionen zerstören und den musikalischen Troublemaker markieren muss, um progressiven Hip Hop inklusive eines frischen Brieschens zu machen. In der nicht abgehobenen Welt von Dark Time Sunshine geht es schließlich auch gar nicht um die Missachtung der Regeln und Normen, sondern um einen verständigen Rückwärtsblick, mit dem man das Alte pflegt, sich gleichzeitig jedoch auch um zusätzliche Komponenten kümmert und Ausschau nach trendigen Modeerscheinungen hält. Auf die Vermischung des Klassischen mit dem Psychedelischen Bezug nehmend, ist es deshalb voll und ganz vertretbar, die Musik der beiden Member als Boom Bap auf Drogen zu kennzeichnen. Dass die bisherigen Auswürfe lyrisch und beattechnisch so enorm qualitativ ausgefallen sind, bewahrte sie letztlich auch vor den doofen "Sie möchten es doch allen nur recht machen"-Spekulationen. "ANX" bedient zwar Pop-Geschmäcker en masse, schafft es aber, genug Seelisches unter der Oberfläche zu platzieren, seien es die Details in den Instrumentals oder Onry Ozzborns Texte, welche sicherlich nicht zu den gewöhnlichsten gehören und sich vielleicht nicht dazu eignen, in bester Feierabendstimmung in der Kneipe zitiert zu werden, die aber doch verdammt langlebig sind.

Dark Time Sunshine - ANX
2012
Label: Fake Four Inc.

Mittwoch, 3. April 2013

Deep Space Soul

Wenn sich Künstler im Opener selbst als "the dopest two-man crew" kennzeichnen, ist hoffentlich auch ein unerfahrener Hip Hop Hörer in der Lage zu begreifen, dass er auf der Hut zu sein hat. Eine in diesem Fall vielversprechende Strategie, deren Wirkung man nicht unterschätzen darf, ist sich davor hüten, zu hohe Forderungen zu stellen oder Assoziationen mit kulturrelevanten und weniger kulturrelevanten Großtaten von Zweimanncrews in seiner Birne entstehen zu lassen. Das ist dann so etwas wie Prävention, um den Fairnessanspruch aufrechtzuerhalten, zumal doch sowieso nicht alles immer auf die Goldwaage gelegt werden muss. "Deep Space Soul" gehört, ohne dass ich auch nur eine Sekunde darüber zweifeln würde, zu den Langspielern, die in ein paar Jahren im hintersten Teil der geistigen Abstellkammer verschwinden werden. In der wenig einladenden Wüste der Durchschnittlichkeit stationiert sich das zweite Album von I.N.F und Aspect schon nach wenigen Songs, wofür gerade die konservativ gekneteten Instrumentals von Nachwuchs-Klangregler Rain verantwortlich sind. Als handle er nach einem Gesetz, welche Heterogenität für eine Beschwörung Luzifers erklärt, flippt Rain unentwegt Soul-Samples, deren Kraft für Überraschungen nie reicht und nur zum mühsamen Durchboxen zur Ziellinie dient. So oder so, es ist irgendwie bezeichnend, wenn das Highlight eines Albums nicht von den Hauptdarstellern selbst kommt. In der eigentümlich monotonen Strophe von Homeboy Sandman, die sich anhört, als wäre sie gleich nach einem Acht-Stunden-Schlaf ihres Erzeugers aufgenommen worden, offenbart sich zweifellos die Mangelhaftigkeit des Projekts, aber vor allem das beschränkte Talent der Gruppenmitglieder.

The Day Laborers & Rain - Deep Space Soul
2012
Label: Deep Concepts Media

Hope In Dirt City

Einen bleibenden Eindruck kann "Hope In Dirt City" nicht hinterlassen. Trotz oder vielleicht auch wegen eines schwer bestimmbaren Sounds reiht sich das dritte Album des kanadischen Rappers in die Zirkel all jener Scheiben ein, die dem Zuhörenden keine andere Reaktion entlocken können als ein phlegmatisches Schulterzucken. Die mannigfaltige Gestaltung des Soundteppichs kann sicherlich als begrüßenswertes Element verbucht werden, ist doch selbst heute nicht jeder Künstler bereit, musikalische Tunnelblicke abzulegen. Cadence Weapons Lyrics fallen mit warmen Jazz-Tönen, markanten Synth-Klängen und undekorativen Minimal-Sounds zusammen, bestätigend, dass das Spiel mit Variationen auch ein Spiel mit der Qualität ist. Denn leider wird, wie sich ebenfalls auf "Hope In Dirt City" überdeutlich offenbart, das Element der Abwechslung häufig durch zumeist wenig beseelte Produktionen untergraben. Eine schwankende Qualität ist immer ärgerlich, aber noch ärgerlicher ist diese Unentschiedenheit, wenn sie sich als Grund für ein schlechtes Abschneiden ambitionierter Projekte herausstellt.

Cadence Weapon - Hope In Dirt City
2012
Label: Upper Class

Sonntag, 31. März 2013

Off The Beaten Path EP

Garcias EP ist ein gut gemeintes Release eines seit mehreren Jahren im Untergrund arbeitenden MC's, der eigentlich nur richtig gut darin ist, sich eindeutigen Zuschreibungen zu entziehen und seinen eigenen Weg in Richtung nicht-eigener Spuren zu gehen, was nichts weiter bedeutet, als dass er von der Masse wie vom Großteil der Independentrap-Zuhörerschaft übersehen wird. Hört man sich "Off The Beaten Path EP" an, stellt sich jedoch nicht die Frage nach der vermeintlich unfairen Behandlung des Latino-Rappers in den Mittelpunkt, sondern unüberraschenderweise die Antwort darauf. Zwischen bemühten Straßenhymnen und Metaphern auf durschnittlichem Oberschulniveau lässt sich schlichtweg nicht viel finden, was eine Steigerung des Bekanntheitsgrads rechtfertigen könnte. Vom nicht angeberischen, aber doch in weiten Teilen unausgegorenen Eastcoast-affinen Sound bleibt nicht viel hängen, sofern man des Hip Hop Spiels langjähriger Beobachter ist, dem in voller Montur ausgestellter, unfreiwilliger Anti-Perfektionismus nur noch Schmerzen bereitet. Trotzdem lässt sich diesem kleinen Album der gewohnt banale Unterhaltungswert nicht absprechen. Freilich ist dieser nur gering und existiert nicht zuletzt aufgrund der interessanten Gastbeiträge von Künstlern wie Reks oder Wrekonize (von der Gruppe ¡MAYDAY!).

Garcia - Off The Beaten Path EP
2012
Label: -

Good Kid, M.A.A.D City

Geht man zu weit, wenn man "Good Kid, M.A.A.D City" als kinematografischstes Album der Hip Hop Geschichte bezeichnet? Ich denke nicht, denn Kendricks narrative Arbeiten über Moral, Schuld und Unschuld, über die kriminellen Energien in Compton, in dem Gewalt, bewaffnete Gangs und Drogen als kontinuierliche Bedrohungen des Einzelnen und der Gemeinschaft wirken, ist beinah so filmisch, als wäre sie mit einem technischen Apparat aufgenommen worden. Er nimmt für seine Betrachtungen nur keine Kamera, sondern bedient sich gut ausgewählter Worte. Und so wie die französischen Initiatoren der bekannten Nouvelle Vague Ende der Fünfziger nicht mehr mit den Einheitsprodukten der Hollywoodfabrik und den stromlinienförmigen inländischen Filmen einverstanden waren, deshalb selbst anfingen mutige Filme zu drehen, so ähnlich verhält es sich mit Kendrick Lamar und seinem erst zweiten Album, das nicht nur simple Unterhaltungsbedürfnisse befriedigen möchte. Nur weil der kalifornische Rapper und Member der Black Hippy Gruppe Gangstarap-Motive verwendet, bedeutet das nicht, dass er sie ausbeutet. Das Gerieren als grimmig dreinschauender Verhauer milchgesichtiger Bubis ist nicht seine Sache. Seine Trials & Tribulations-Lyrik ist differenziert und vielschichtig, birgt psychische Zustände und formuliert vor allen Dingen immer einen kritischen Standpunkt. Die Arbeit auf dem Regiestuhl beherrscht Kendrick einwandfrei, so zeugen Binnenverweise, Polyperspektivität und lange wie kurze Skits von hoher handwerklicher Geschicktheit, die die Songs zu einem Konzept zusammenbringt. Diese Virtuosität macht ihn zum Jean-Luc Godard des Hip Hops! Als Zuhörer schwimmt man wahrlich in Höhepunkten, wie etwa in der wilden Hintersitz-Reimerei auf "Backstreet Freestyle" oder in dem Romantik evozierenden Zeitlupen-Beat auf "Poetic Justice". In inhaltlicher wie struktureller Hinsicht nimmt sich die 2011 erschienene Erzählung "Ungud" von den Roots dagegen wie eine Gute-Nacht-Geschichte aus, auch weil die Hauptfigur in dem mit A Short Film by Kendrick Lamar untertitelten "Good Kid, M.A.A.D City" selbst das Wort hat und keine von Dritten gesprochene fiktive Person mit einer fiktiven Biografie.

Kendrick Lamar - Good Kid, M.A.A.D City
2012
Label: Top Dawg / Aftermath

Space

Die sowieso schon ziemlich breit aufgestellte Hip Hop Szene in Minneapolis bekommt mit dem Duo The Tribe & Big Cats! weiteren hochwertigen Nachschub, weil aus Rapper Truthbetold und Produzenten Big Cats nicht weniger Energie und Kreativität prickelt als bei den gestandenen Künstlern aus Minnesotas Metropolregion. Lassen sich die angesprochenen Pluspunkte bei wahrscheinlich jedem dritten Newcomer-Act entdecken, ist die überzeugte Lust, auf Eindeutigkeiten zu verzichten, nur bei sehr Wenigen zu erkennen. Doch genau in diese Nische platzieren sich die beiden, indem sie notorischen Schubladenaufmach-Junkies einfach aus dem Weg gehen. Die Ganzheit ihrer Musik ist deshalb auch kein Ergebnis einer verzweifelten Kopiererei eines bestimmten Stilrichtung, sondern ist die Summe einer toughen Verquickung unterschiedlicher Kulturidentitäten. So gesehen lässt sich mit ihrer Musik alles assoziieren, was cool, aber nicht antiintellektuell ist, beispielsweise eine Verschmelzung von Kendrick Lamar und Atmosphere. Zusätzlich trieft ihre gesamte Performance nicht vor herausgeputzter Wichtigkeit, schließlich verpflichtet Demut und Konzentration auf das Relevante die beiden dazu, auf dem Boden zu bleiben. Deshalb stehen zwar altmodische Jazz-Rhythmen neben elektronischen Soundgefilden, allein die Übertreibung der Elemente fehlt jedoch glücklicherweise jederzeit. Gelingt den beiden beim nächsten Mal eine Abrundung ihrer Kombinationen, sehe ich keinen Grund, warum sie in Zukunft keine Maßstäbe setzen könnten.

The Tribe & Big Cats! - Space
2012
Label: - 

Montag, 11. März 2013

Pangaean Drift

Es fällt mir schwer, Produzenten Factor im Hinblick auf einige seiner letzten veröffentlichten Projekte ein wirklich glückliches Händchen zu bescheinigen. "Saffron" mit Moka Only war bestenfalls Mittelmaß, sein mit Kirby Dominant abgeworfenes "Champagne Nightmares" nervte gleichermaßen durch Bedeutungslosigkeit wie durch banal instrumentierte Klangschablonen. Umso zufriedener und glückseliger höre ich mir dafür "Pangean Drift" an, welches er mit dem ebenfalls aus Saskatchewan stammenden Künstler Kay The Aquanaut recordete. Keine 20 Minuten dauert der Spaß der zwei Herren, und markiert musikalisch einen Punkt irgendwo zwischen 80er und Ultramoderne. In sehr ausgetüftelten Soundbauten lässt Factor wilde Scratches und elektronische Laute zueinanderfinden, entdeckt die Freude, zu minimaler Drum-Ausstattung mystisch klingende Melodien hinzuzuaddieren und ist überhaupt immer für Zugänglichkeit. Denn in einer Wust zu resultieren, kann man seinen Produktionen gewiss nicht vorwerfen. Stattdessen beruft sich Factor auf jene bescheidene Komplexität, jene zurückhaltende Ausformulierung des eigenen ambitionierten Standpunkts, mit der er den beiden Post-Golden Era Klassikern "Owl Hours" und "1969" seinen Stempel aufdrückte. Dennoch ist die frei downloadbare EP viel zu kurz und dient in erster Linie einem dramaturgischen Zweck. Die Spannung auf das erste Laika-Album "Letters From Laika" soll hiermit maximieren werden - dieses erscheint nach offiziellen Angaben im Frühjahr 2013.

Laika - Pangaean Drift
2012
Label: -

The KnewBook

Nach den ersten Annäherungsversuchen und den damit verbundenen Enttäuschungen entpuppte sich "The KnewBook" nach mehreren Spins völlig überraschend doch noch als respektables Futter für die Anlage. Sicher, für eine Suche nach adäquaten Alternativen würde man nicht lange brauchen, denn KnowMads vertrauen im Großen und Ganzen auf einfache Beatkonstruktionen. Mit dem Unterschied aber, dass ihre mit einer kräftigen Welle Soul durchfluteten Cuts hin und wieder mit der Unaufgeregtheit brechen und den nostalgischen Charme für einen Moment vergessen lassen. Die selten verwendeten Gesangparts klingen heimisch, die dezenten Synthie-Erregungen irgendwie sympathisch. Vollständig von Jesse Judd produziert, stärkt das Soundbild der Weniger-Produzenten-mehr-Harmonie-Behauptung den Rücken, während sich am Mikrofon Tom Pepe und Tom Wilson einfinden, um der selten komischen Realität Tribut zu zollen. Ihre Lyrics neigen nicht selten zum Pathetischen, öfter jedoch zum Erzählen von profanen Geschichten. Zu höheren Aufgaben konnte sich die Gruppe zwar nicht ermutigen, schaukelt das Kind jedoch bis zum Finale relativ verletzungsfrei. "The KnewBook" ist 2012 schon der zweite Wurf der Gruppe aus dem Nordwesten, im Februar erschien bereits die EP "Prologue", die, wie der Titel es schon suggeriert, natürlich ein Vorgeschmack und Heißmacher auf dieses Album war.

KnowMads - The KnewBook
2012
Label: -

Mittwoch, 20. Februar 2013

Paranormal

Lange hat's ja gedauert. Weil viele Jahre bis zu einem Longplayer-Nachschub von Prozak vergangen waren, bin ich mehr als betrübt über das präsentierte Resultat des 17 Song starken Albums. Obwohl "Paranormal" den Vorgänger knapp überholt, stellt man sich unweigerlich die Frage über das Alter der Ideen. Denn bis auf einige Ausnahmen hätten die Beats und Songkonzepte problemlos auch einen Platz auf dem Strange Music Erstling "Tales From The Sick" finden können. Fokussiert sich die Betrachtung jedoch auf die Aufnahmen, gerät eine datumstechnische Zuordnung kaum in das Visier der eigenen Skepsis. Stimmlich hat der Rapper und Videoregisseur aus Saginaw (Michigan) beeindruckende Fortschritte gemacht. Sein tiefes Organ klingt jetzt angenehm flexibler, was sich in manchen Phasen erheblich auf seine Performance auswirkt. Betreten die Lieder die Rock-Ecke und sind schwere Gitarren am Werk, pimpt er sein Organ selbstverständlich auch gerne mal auf. Bombastisch und bisweilen erdbebenartig klingt das - die böse Miene wird hier zum guten Spiel. Auf Aspekte der Flowtechnik wenig Wert legend, ist Prozak deshalb sicherlich ein akzeptabler Performer. Doch die Rezeptur aus lauten Metal-infizierten Produktionen und schwermütiger Pianotasten-Drückerei zieht auch dieses Mal nicht. Die Mangelhaftigkeit der Ausführung ist zwar ein offensichtlicher Punkt, den es zu beanstanden gilt, für mehr Ärger sorgt jedoch die klare Abgrenzung der beiden zentralen Stile. Das ist ein Unding, das die Kreativität zu Grabe trägt sowie den Nährboden für den Verdacht einer verkaufsfördernden Zielgruppenbedienung beisteuert.

Prozak - Paranormal
2012
Label: Strange Music

Bridges

Wenn auf einem Album von fünfzehn Liedern tatsächlich ganze 3 die Drei-Minuten-Marke überschreiten, muss man annehmen, dass die Macher es sehr eilig hatten. Bedenkt man diesen Umstand zusätzlich im Zusammenhang mit Moka Onlys ungewöhnlich wildem Release-Rhythmus, sieht es oberflächlich gesehen mehr wie eine Routinearbeit aus denn ein Projekt, an dem mit viel Herzblut für ein explosives Endergebnis gearbeitet wurde. Wo nackte Zahlen, wie die Angaben über die Trackdauer, im Normalfall selten eine Aussagekraft besitzen, bestätigen sie hier doch nur die Vorurteile, die sich zwangläufig vor dem Hören des Albums in den Kopf setzen. Moka Only, von dem ich nie ein Sympathisant war, kann zwar gute Texte schreiben, kommt aber mit seinen mehr emotionslos hingekickten als pulsierenden Raps nicht gegen die stocksteifen, smooth-chilligen Produktionen von Ayatollah an. Da ich Ayatollah jedoch als Wenigkönner begreife, und damit wahrscheinlich allein stehe, sollte man sich unbedingt ein eigenes Bild von "Bridges" machen.

Moka Only & Ayatollah - Bridges
2012
Label: Nature Sounds

Mittwoch, 13. Februar 2013

Father Creeper

Die Vorstellung, einer wie Spoek Mathambo könnte ohne Musik leben, kommt irgendwie einer hoffnungslosen Absurdität gleich. Es fällt schwer, sich nicht in die Abenteuerlust, mit der sich der Grenzgänger auf seinem zweiten Album in verschiedene Genre-Gefilde entführen lässt, zu verlieben. So versiert wie der in Johannesburg geborene Rapper Schrägstrich Sänger mit verschiedenen Tempoarten, Betonungen und Stilen umgeht, so erbarmungslos variierend erklingt auch die Instrumental-Ebene. Das breit gefächerte Repertoire reicht von Alternative Rock über Anleihen an Grime bis zu Dubstep-Inspirationen, wobei selten eine konkrete Trennung der Elemente geschieht. Doch täte man den Produzenten und Spoek Mathambo böses Unrecht, wenn man ihr Produkt als pseudoinnovative Alles-rein-in-den-Topf-Musik abstemple. Den mit Pop-Appeal durchtränkten Soundcollagen mag vielleicht die von vielen Musikliebhabern geforderte Kohärenz fehlen, begegnen tun sich die unterschiedlichen Elemente jedoch trotzdem nicht wie Hund und Katz, vielmehr befruchten sie sich gegenseitig und setzen so zumindest eine kollektive Energie innerhalb eines Songs frei. Das klingt manchmal nach Schwulst, kann aber ebenso unheimlich erfrischend sein. Die Veröffentlichung geschah über Sub Pop, der Firma, die gerne ergebnisoffene Alben veröffentlicht. "Father Creeper" ist eine Hochzeit der Widersprüche. Es euphorisiert und verunsichert, ist Après-Ski und Dritte Welt zugleich.

Spoek Mathambo - Father Creeper
2012
Label: Sub Pop

The Sound Of Low Class Amerika

In schöner Regelmäßigkeit kommen aus dem Hause Rhymesayers vergessenswerte, trotzdem um die Aufmerksamkeit von Hip Hop-Journalisten und -hörern buhlende Scheiben, die kein Problem damit haben, einen ultraspießigen Sound aufzufahren, mit dem eigentlich kein Blumentopf mehr zu gewinnen ist und mit dem man dem Gros der restlichen Releases nichts entgegenzusetzen hat. "The Sound Of Low Class Amerika" gefällt sich selbst als Massenmobilisierungs-Sound, bringt jedoch keinerlei Durchschlagskraft ein. Die Beats sind so spießig-langweilig, dass man sich alles Mögliche als Abwechslung vorstellen kann, weshalb selbst eine Produktion von Lil Jon für eine kurz anhaltende Zufriedenheit sorgen würde. Dann wäre da noch I Self Devine selbst, der sich hier als großer Moralist aufspielt, aber mit seiner komplett unauffälligen Stimme eher das unsichtbare Gespenst in einem 55-minütigen Spuk darstellt.

I Self Devine - The Sound Of Low Class Amerika
2012
Label: Rhymesayers

Satellite Kite

Über das Anliegen mancher Rapper, über Gott und Religion Texte zu verfassen, gibt es erst einmal nichts Negatives zu sagen. Aber muss man es wie die Jungs von Beautiful Eulogy machen? Im Friedefreudeeierkuchen-Stil Jesus feiern und krankhaft die Wohlfühl-Tasten betätigen, damit die Christen zu dieser CD beruhigt einschlafen können? "Satellite Kite" gehört zu jenen Alben, die mir persönlich durch ihre nervigen Lyrics alles kaputtmachen. Doch Achtung: Wem Lyrics nicht sehr wichtig sind bzw. wer kein Problem mit christlichen Botschaften hat, deren Basis eine optimistische Fröhlichkeit ist, sollte sich das frei downloadbare Album anhören, weil hier rap- und beattechnisch in der Breite ganz großes Kino aufgefahren wird. Beautiful Eulogy sind übrigens Braille, Odd Thomas und der Produzent Courtland Urbano.

Beautiful Eulogy - Satellite Kite
2012
Label: Humble Beast