Mittwoch, 20. Februar 2013

Paranormal

Lange hat's ja gedauert. Weil viele Jahre bis zu einem Longplayer-Nachschub von Prozak vergangen waren, bin ich mehr als betrübt über das präsentierte Resultat des 17 Song starken Albums. Obwohl "Paranormal" den Vorgänger knapp überholt, stellt man sich unweigerlich die Frage über das Alter der Ideen. Denn bis auf einige Ausnahmen hätten die Beats und Songkonzepte problemlos auch einen Platz auf dem Strange Music Erstling "Tales From The Sick" finden können. Fokussiert sich die Betrachtung jedoch auf die Aufnahmen, gerät eine datumstechnische Zuordnung kaum in das Visier der eigenen Skepsis. Stimmlich hat der Rapper und Videoregisseur aus Saginaw (Michigan) beeindruckende Fortschritte gemacht. Sein tiefes Organ klingt jetzt angenehm flexibler, was sich in manchen Phasen erheblich auf seine Performance auswirkt. Betreten die Lieder die Rock-Ecke und sind schwere Gitarren am Werk, pimpt er sein Organ selbstverständlich auch gerne mal auf. Bombastisch und bisweilen erdbebenartig klingt das - die böse Miene wird hier zum guten Spiel. Auf Aspekte der Flowtechnik wenig Wert legend, ist Prozak deshalb sicherlich ein akzeptabler Performer. Doch die Rezeptur aus lauten Metal-infizierten Produktionen und schwermütiger Pianotasten-Drückerei zieht auch dieses Mal nicht. Die Mangelhaftigkeit der Ausführung ist zwar ein offensichtlicher Punkt, den es zu beanstanden gilt, für mehr Ärger sorgt jedoch die klare Abgrenzung der beiden zentralen Stile. Das ist ein Unding, das die Kreativität zu Grabe trägt sowie den Nährboden für den Verdacht einer verkaufsfördernden Zielgruppenbedienung beisteuert.

Prozak - Paranormal
2012
Label: Strange Music

Bridges

Wenn auf einem Album von fünfzehn Liedern tatsächlich ganze 3 die Drei-Minuten-Marke überschreiten, muss man annehmen, dass die Macher es sehr eilig hatten. Bedenkt man diesen Umstand zusätzlich im Zusammenhang mit Moka Onlys ungewöhnlich wildem Release-Rhythmus, sieht es oberflächlich gesehen mehr wie eine Routinearbeit aus denn ein Projekt, an dem mit viel Herzblut für ein explosives Endergebnis gearbeitet wurde. Wo nackte Zahlen, wie die Angaben über die Trackdauer, im Normalfall selten eine Aussagekraft besitzen, bestätigen sie hier doch nur die Vorurteile, die sich zwangläufig vor dem Hören des Albums in den Kopf setzen. Moka Only, von dem ich nie ein Sympathisant war, kann zwar gute Texte schreiben, kommt aber mit seinen mehr emotionslos hingekickten als pulsierenden Raps nicht gegen die stocksteifen, smooth-chilligen Produktionen von Ayatollah an. Da ich Ayatollah jedoch als Wenigkönner begreife, und damit wahrscheinlich allein stehe, sollte man sich unbedingt ein eigenes Bild von "Bridges" machen.

Moka Only & Ayatollah - Bridges
2012
Label: Nature Sounds

Mittwoch, 13. Februar 2013

Father Creeper

Die Vorstellung, einer wie Spoek Mathambo könnte ohne Musik leben, kommt irgendwie einer hoffnungslosen Absurdität gleich. Es fällt schwer, sich nicht in die Abenteuerlust, mit der sich der Grenzgänger auf seinem zweiten Album in verschiedene Genre-Gefilde entführen lässt, zu verlieben. So versiert wie der in Johannesburg geborene Rapper Schrägstrich Sänger mit verschiedenen Tempoarten, Betonungen und Stilen umgeht, so erbarmungslos variierend erklingt auch die Instrumental-Ebene. Das breit gefächerte Repertoire reicht von Alternative Rock über Anleihen an Grime bis zu Dubstep-Inspirationen, wobei selten eine konkrete Trennung der Elemente geschieht. Doch täte man den Produzenten und Spoek Mathambo böses Unrecht, wenn man ihr Produkt als pseudoinnovative Alles-rein-in-den-Topf-Musik abstemple. Den mit Pop-Appeal durchtränkten Soundcollagen mag vielleicht die von vielen Musikliebhabern geforderte Kohärenz fehlen, begegnen tun sich die unterschiedlichen Elemente jedoch trotzdem nicht wie Hund und Katz, vielmehr befruchten sie sich gegenseitig und setzen so zumindest eine kollektive Energie innerhalb eines Songs frei. Das klingt manchmal nach Schwulst, kann aber ebenso unheimlich erfrischend sein. Die Veröffentlichung geschah über Sub Pop, der Firma, die gerne ergebnisoffene Alben veröffentlicht. "Father Creeper" ist eine Hochzeit der Widersprüche. Es euphorisiert und verunsichert, ist Après-Ski und Dritte Welt zugleich.

Spoek Mathambo - Father Creeper
2012
Label: Sub Pop

The Sound Of Low Class Amerika

In schöner Regelmäßigkeit kommen aus dem Hause Rhymesayers vergessenswerte, trotzdem um die Aufmerksamkeit von Hip Hop-Journalisten und -hörern buhlende Scheiben, die kein Problem damit haben, einen ultraspießigen Sound aufzufahren, mit dem eigentlich kein Blumentopf mehr zu gewinnen ist und mit dem man dem Gros der restlichen Releases nichts entgegenzusetzen hat. "The Sound Of Low Class Amerika" gefällt sich selbst als Massenmobilisierungs-Sound, bringt jedoch keinerlei Durchschlagskraft ein. Die Beats sind so spießig-langweilig, dass man sich alles Mögliche als Abwechslung vorstellen kann, weshalb selbst eine Produktion von Lil Jon für eine kurz anhaltende Zufriedenheit sorgen würde. Dann wäre da noch I Self Devine selbst, der sich hier als großer Moralist aufspielt, aber mit seiner komplett unauffälligen Stimme eher das unsichtbare Gespenst in einem 55-minütigen Spuk darstellt.

I Self Devine - The Sound Of Low Class Amerika
2012
Label: Rhymesayers

Satellite Kite

Über das Anliegen mancher Rapper, über Gott und Religion Texte zu verfassen, gibt es erst einmal nichts Negatives zu sagen. Aber muss man es wie die Jungs von Beautiful Eulogy machen? Im Friedefreudeeierkuchen-Stil Jesus feiern und krankhaft die Wohlfühl-Tasten betätigen, damit die Christen zu dieser CD beruhigt einschlafen können? "Satellite Kite" gehört zu jenen Alben, die mir persönlich durch ihre nervigen Lyrics alles kaputtmachen. Doch Achtung: Wem Lyrics nicht sehr wichtig sind bzw. wer kein Problem mit christlichen Botschaften hat, deren Basis eine optimistische Fröhlichkeit ist, sollte sich das frei downloadbare Album anhören, weil hier rap- und beattechnisch in der Breite ganz großes Kino aufgefahren wird. Beautiful Eulogy sind übrigens Braille, Odd Thomas und der Produzent Courtland Urbano.

Beautiful Eulogy - Satellite Kite
2012
Label: Humble Beast