Donnerstag, 24. Oktober 2013

Parts of Speech

Während Dessa auf ihrem ersten Album noch zwischen Gesang und Rap changierte, vertraut sie auf ihrem neuesten Streich auf ihre Singfähigkeiten, auch wenn sie zweitgenannten Stil nicht vollständig verneint. Darben muss aber niemand, wenn die Platte erst einmal gestartet ist, denn Dessa versteht es hervorragend, ihr Organ in die von vielen unterschiedlichen Produzenten geschaffenen Soundflächen einzubetten. Ihre Lieder entfalten Gefühle, Gedanken und Geschichten über ganz universelle Themenkomplexe und lassen konventionelles Hip Hop Feeling meist vermissen. Der Widerstand gegen die Stromschwimmerei wird jedoch nur diejenigen entgeistern, die Dessa unfair kategorisiert und ihren Horizont falsch eingeschätzt haben. Auch die seit Jahrzehnten aktive und einflussreiche Kritikerfigur Robert Christgau erkannte nach Erscheinen ihres Debüts "A Badly Broken Code" das Potenzial der Dame aus Minneapolis und kam zu dem richtigen Schluss, dass sie keine alltägliche Gestalt im Geschäft ist, in welchem man mit coolen Punchlines mehr Respekt einfährt, als mit Zeilen, die aus den tiefsten Schluchten der Gedankenwelt mühsam nach oben gebracht wurden. Ihr Songwriting, welches sich meist auf Beziehungsgeschichten bezieht, erschafft deshalb auch die berührendsten Storytelling-Songs, die man im Hip Hop Genre je gehört hat. Selbst bei gefährlicher Nähe zu Kitsch und verklärten romantischen Fantasien sind diese nämlich noch ein Genuss und bringen genug Argumente mit, dass man sich ihnen mehr als nur einmal zuwendet. Folgerichtig erweist sich "Parts Of Speech" als verführerischer Zeittöter, der den Druck auf die Repeattaste regelrecht provoziert, wobei dafür neben den Texten natürlich noch die Bauelemente des musikalischen Rahmens sorgen, der einer Verzauberung mittels hypnotisch wirkender Beats Vorschub leistet.

Dessa - Parts of Speech
2013
Label: Doomtree

Beautiful Raw

Man hätte es ja wissen müssen. Nach dem musikalisch sehr imponierenden, aber textlich relativ zahmen "So Be It" veröffentlichte das Duo nur ein Jahr später das dritte Album und bestätigte mit "Owl" den kreativen Abstieg, der nach ihrem legendären Erstling begann. Wer nun gedacht hat, dass die Jungs sich dafür interessieren würden, mit dieser logischen Kette des stufenweisen Niveauabbaus zu brechen, hat leider auf die falschen Pferde gesetzt. Denn auf ihrem neuen Werk "Beautiful Raw" tun die beiden Künstler wirklich alles dafür, um konform mit den Wünschen der allgemeinen Szene-Hörerschaft zu gehen. Das heißt jedoch, zumindest nach den ungeschriebenen Regeln des Marktes, die Musik zu verflachen, sie übersichtlicher zu machen und überhaupt beliebiger klingen zu lassen. Zwar zeugte schon "Owl" von einer bescheuerten Anpassungsattitüde, zu der sich Qwel und Maker hinreißen ließen, doch war die Entindividualisierung dort dennoch nicht so weit fortgeschritten, dass man sagen konnte, die beiden würden nicht mehr von ähnlichen Gruppen unterscheidbar sein. Mit "Beautiful Raw" lässt sich allerdings ein neuer Abschnitt der Gruppenkarriere vermerken, weil die beiden in meinen Ohren mit diesem Album die Grenze zur X-Beliebigkeit überschritten haben. Verzichtet Qwel größtenteils auf die schwer kryptischen lyrischen Entwürfe alter Tage, geht aber wenigstens nicht dazu über, seine Texte komplett zurechtzudoofen, lässt Maker alles vermissen, was sich irgendwie mit Begriffen wie Verrücktheit oder Schlitzohrigkeit in Verbindung bringen lässt. Seine Beträge sind deshalb fast ausnahmslos von adretter Erscheinung, aalglatt und hören sich an, als wären sie produziert worden, um schnell wieder vergessen zu werden. Doch enttäuscht dürfte man trotzdem nicht sein - man hätte es ja wissen müssen.

Qwel & Maker - Beautiful Raw
2013
Label: Galapagos4