Während Dessa auf ihrem ersten Album noch zwischen Gesang und Rap
changierte, vertraut sie auf ihrem neuesten Streich auf ihre
Singfähigkeiten, auch wenn sie zweitgenannten Stil nicht vollständig
verneint. Darben muss aber niemand, wenn die Platte erst einmal
gestartet ist, denn Dessa versteht es hervorragend, ihr Organ in die von
vielen unterschiedlichen Produzenten geschaffenen Soundflächen
einzubetten. Ihre Lieder entfalten Gefühle, Gedanken und Geschichten
über ganz universelle Themenkomplexe und lassen konventionelles Hip Hop
Feeling meist vermissen. Der Widerstand gegen die Stromschwimmerei wird
jedoch nur diejenigen entgeistern, die Dessa unfair kategorisiert und
ihren Horizont falsch eingeschätzt haben. Auch die seit Jahrzehnten
aktive und einflussreiche Kritikerfigur Robert Christgau erkannte nach
Erscheinen ihres Debüts "A Badly Broken Code" das Potenzial der Dame aus
Minneapolis und kam zu dem richtigen Schluss, dass sie keine
alltägliche Gestalt im Geschäft ist, in welchem man mit coolen
Punchlines mehr Respekt einfährt, als mit Zeilen, die aus den tiefsten
Schluchten der Gedankenwelt mühsam nach oben gebracht wurden. Ihr
Songwriting, welches sich meist auf Beziehungsgeschichten bezieht,
erschafft deshalb auch die berührendsten Storytelling-Songs, die man im
Hip Hop Genre je gehört hat. Selbst bei gefährlicher Nähe zu Kitsch und
verklärten romantischen Fantasien sind diese nämlich noch ein Genuss und
bringen genug Argumente mit, dass man sich ihnen mehr als nur einmal
zuwendet. Folgerichtig erweist sich "Parts Of Speech" als
verführerischer Zeittöter, der den Druck auf die Repeattaste regelrecht
provoziert, wobei dafür neben den Texten natürlich noch die Bauelemente
des musikalischen Rahmens sorgen, der einer Verzauberung mittels
hypnotisch wirkender Beats Vorschub leistet.
Dessa - Parts of Speech
2013
Label: Doomtree
Donnerstag, 24. Oktober 2013
Beautiful Raw
Man hätte es ja wissen müssen. Nach dem musikalisch sehr imponierenden,
aber textlich relativ zahmen "So Be It" veröffentlichte das Duo nur ein
Jahr später das dritte Album und bestätigte mit "Owl" den kreativen
Abstieg, der nach ihrem legendären Erstling begann. Wer nun gedacht hat,
dass die Jungs sich dafür interessieren würden, mit dieser logischen
Kette des stufenweisen Niveauabbaus zu brechen, hat leider auf die
falschen Pferde gesetzt. Denn auf ihrem neuen Werk "Beautiful Raw" tun
die beiden Künstler wirklich alles dafür, um konform mit den Wünschen
der allgemeinen Szene-Hörerschaft zu gehen. Das heißt jedoch, zumindest
nach den ungeschriebenen Regeln des Marktes, die Musik zu verflachen,
sie übersichtlicher zu machen und überhaupt beliebiger klingen zu
lassen. Zwar zeugte schon "Owl" von einer bescheuerten
Anpassungsattitüde, zu der sich Qwel und Maker hinreißen ließen, doch
war die Entindividualisierung dort dennoch nicht so weit
fortgeschritten, dass man sagen konnte, die beiden würden nicht mehr von
ähnlichen Gruppen unterscheidbar sein. Mit "Beautiful Raw" lässt sich
allerdings ein neuer Abschnitt der Gruppenkarriere vermerken, weil die
beiden in meinen Ohren mit diesem Album die Grenze zur X-Beliebigkeit
überschritten haben. Verzichtet Qwel größtenteils auf die schwer
kryptischen lyrischen Entwürfe alter Tage, geht aber wenigstens nicht
dazu über, seine Texte komplett zurechtzudoofen, lässt Maker alles
vermissen, was sich irgendwie mit Begriffen wie Verrücktheit oder
Schlitzohrigkeit in Verbindung bringen lässt. Seine Beträge sind deshalb
fast ausnahmslos von adretter Erscheinung, aalglatt und hören sich an,
als wären sie produziert worden, um schnell wieder vergessen zu werden.
Doch enttäuscht dürfte man trotzdem nicht sein - man hätte es ja wissen
müssen.
Qwel & Maker - Beautiful Raw
2013
Label: Galapagos4
Qwel & Maker - Beautiful Raw
2013
Label: Galapagos4
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