Die im Jahr 2012 erschienene EP "Pangean Drift" wies schon daraufhin,
welchen Sound man vom Longplayer erwarten konnte. Extrem lebendige
Klangflächen, Erledigungen bestimmter Muster wie auch gleichzeitige
Entsagung an die sich ewig wiederholende Sample-Ergötzung. Das Album
löst das Versprechen freilich ein und lässt sich irgendwo zwischen einem
auf dem Experimentiertisch lange montierten Produkt und einer ohne
eines unnötigen Extragedankens aufbereiteten Platte einordnen, die keine
35 Minuten dauert, aber lyrisches und soundästhetisches Gewicht
mitbringt, das locker für zwei CDs reichen würde. Neben dem exzellenten
Songwriting gewinnt Kay die Zuhörer ebenfalls mit coolen Flows für sich,
die in den meisten Fällen ziemlich flott daherkommen und vor allen
Dingen exquisit zu den luftigeren Produktionen passen. Dank der
Live-Instrumentierung herrscht ohnehin keine Langeweile und Factors
elektrisierend-intensive Achtziger-Anlehnungen bilden in ihrer
Ausstaffierung einen Spiegel, in dem sich das bisherige Schaffen des
kanadischen Produzenten problemlos analysieren und zusammenfassen lässt;
ein Schaffen, in dem es darum geht, ohne Umständlichkeiten kreative
Freiheiten zu entwickeln, ohne auf der elitären Schiene zu fahren und
darum superindividuelle wie ultra-unkonventionelle Beats entwickeln zu
müssen. Seine Arbeiten sind deshalb auch auf "Letters From Laika" einem
schönen Gleichgewicht verpflichtet, egal ob er futuristische,
melancholische oder gar unheimlich schmissige Rapbegleitungen kreiert.
Längst ist auf der CD nicht alles perfekt und von Schmutzflecken
unberührt, doch bieten die kritikwürdigeren Elemente noch lange nichts,
wofür man sich in den Schmollwinkel zurückziehen müsste.
Kay The Aquanaut & Factor - Letters From Laika
2013
Label: Circle Into Square
Sonntag, 25. August 2013
Freedom Of Speech
Eigentlich müsste "Freedom Of Speech" in aller Munde sein, denn das
zweite Album der Londoner Rapperin ist ein Feuerwerk an Emotionen. Doch
wie bei Big Dada Veröffentlichungen üblich wurde hier nicht primär auf
die Verkaufszahlen geschielt, sondern auf Qualität gesetzt, die sich
sowohl im Gesamtpaket wie auch im Detail finden lässt. Man war also
darauf fixiert, den Langspieler nicht zu trendy klingen zu lassen. Mögen
schmierig rhythmische Reize und oberflächliches Spacko-Geschwätz
verkaufsfördernd sein, in Speech Debelles Welt geht es um aufrichtige
Gefühle, weshalb einzig die Single "I'm With It" etwas von
Aufdringlichkeit besitzt. Der Rest ist betont ruhig und reduziert, die
Produktionen nie überfrachtet. Alleinunterhalter Kwes. legt schmissige
Melodien und gemächliche Gitarrenakkorde auf, die mit einer wunderbar
femininen Stimme einen Vermischungsprozess eingehen und folglich den
Soul der Texte spürbar machen. Und welch atemberaubende Intimität der
bisweilen in einer Art Flüsterton gehaltene Rap erzeugt! Es mochte 2009
noch eine große Überraschung gewesen sein, als die junge Rapperin den in
der Independent-Szene beliebten Mercury Music Prize für ihr Debüt
"Speech Therapy" entgegennahm, doch nach diesem Werk ist die Londonerin
weit mehr als nur Big Dada Nachwuchs. Der Frau eine große künstlerische
Perspektive zu bescheinigen, das fällt nicht schwer. Speech Debelles gut
aufgestelltes Lyrics-Portfolio - auf "Freedom Of Speech":
Schuldbekenntnisse, Liebesbeziehungs-Poetik, gesellschaftspolitische
Überlegungen u.v.m. - ist dabei genauso eine offenkundige Stärke wie
ihre sinnliche Stimme. Das nächste Album kann kommen.
Speech Debelle - Freedom Of Speech
2012
Label: Big Dada
Speech Debelle - Freedom Of Speech
2012
Label: Big Dada
G Is For Deep
Hip Hops Micky-Maus-Stimme Doseone testet mit "G Is For Deep" ein weiteres Mal
die Dehnbarkeit von Hip Hop und schaut, wie weit er gehen muss, um es
auf die Spitze zu treiben. Längst nicht jeder ist ihm bereit zu folgen,
doch zumindest hat er für dieses Soloalbum endlich auch seine Heimat
Anticon als Releaseplattform gewählt, womit doch wenigstens
sichergestellt sein müsste, dass die CD den ganzen
Experimentalrap-Aficionados nicht durch die Lappen geht. Denn die sind
es hier, die eine freundliche Bedienung erfahren, während der Rest sich
die Frage stellen wird, was dieser elektronische Soundkonfetti denn nun
mit Hip Hop zu tun hat. Berechtigt ist die Position der Doseone-Verweigerer durchaus, zumal das
Am-Rad-Drehen des Künstlers aus Ohio immer beklopptere Formen anzunehmen
scheint. Mit dem alten Zeug aus den Neunzigern weist "G Is For Deep"
jedenfalls kaum Schnittpunkte auf. Um auf diesem Album hundertprozentige
Raps zu hören, braucht man zwar keine guten Einbildungsfähigkeiten,
dafür aber viel Geduld. Empfehlenswert ist dennoch die Bereitschaft,
zappeligen und wurstelnden Singsang als Rap zu akzeptieren, oder sich
erst gar keinen Kopf darum zu machen, was der ehrenwerte Herr nach
allgemeingültigen Definitionen während des Entstehungsvorgangs in der
Aufnahmekabine tatsächlich getrieben hat. Rap oder Gesang - egal. Und wenn das Kunstwerk das Kind eines Künstlers
ist, so lässt sich mühelos konstatieren, dass es sich bei diesem Werk
mindestens um ein schönes Kind handelt. Ständig in psychedelischen und
surrealistischen Sphären unterwegs, übt der Soundtrack durch wummernde
Bässe und dissonanten Mischmasch eine magische Anziehung aus, der man
sich zumindest dann gerne aussetzt, wenn nicht im Einklang spielende
Instrumente nicht zu den K.-O.-Kriterien gehören. Obwohl kein
Unterstützer der Geschmackssache-Floskel, will mir kein Textende
einfallen, welches an dieser Stelle passend wäre. Deshalb bleibt mir nur
die Wahl, den Konsumenten mitzuteilen, dass die Beurteilung der hier
vorgetragenen Gesangsparade eines Nonkonformisten ganz besonders vom
soundästhetischen Geschmack jedes Einzelnen abhängt.
Doseone - G Is For Deep
2012
Label: Anticon
Doseone - G Is For Deep
2012
Label: Anticon
The Block Brochure: Welcomet to the Soil 1
Wenn man der populärsten Informationsquelle im World Wide Web vertrauen
kann, stellt die erste Ausgabe der dreiteiligen "Block Brochure"-Reihe
das schon fünfzehnte Soloalbum des alten Hasen aus Vallejo dar. Ich
spreche natürlich sehr vielen Meinungen Hohn, wenn ich schreibe, dass
E-40 seit Anbeginn seiner Karriere zu den langweiligsten Exemplaren an
der Westküste zählte und dass sich daran im Laufe der Zeit nicht im
Geringsten etwas geändert hat; aber da ich eine gewisse Transparenz bei
meinen Schreibergüssen unterstützen möchte, darf es kein Geheimnis sein,
welche Meinung ich über E-40 meine eigene nenne. Obwohl "Welcome To The
Soil 1" bei Unterstützern und langjährigen Hörern gut ankommen dürfte,
fällt die fidele Superfühl-Musik bei mir komplett durch. Die nicht mal
so selten von galaktischer Dämlichkeit durchzogenen Texte mit ihren
tumben Egoaufputsch-Lines und der dazugehörigen postpubertären Komik
lassen nicht nur komplett kalt, ihnen fehlt auch die musikalische
Absicherung, die normalerweise dazu dient, das Straßenrap-Gesülze
überhaupt konsumierbar zu machen. Doch in diesem kruden Matsch aus
trendiger Boom-Boom-Hip Hop-Betörung und halb gelungener
Tiefbass-Kopfnicker sucht man größtenteils vergeblich nach so etwas wie
Klasse. Manchmal sollte man einfach nur dem Cover glauben: E-40 verkauft
das Leben in der Hood als Zirkusshow. Tretet ein, und amüsiert euch.
E-40 - The Block Brochure: Welcomet to the Soil 1
2012
Label: Heavy On The Grind
E-40 - The Block Brochure: Welcomet to the Soil 1
2012
Label: Heavy On The Grind
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