Sonntag, 25. August 2013

Letters From Laika

Die im Jahr 2012 erschienene EP "Pangean Drift" wies schon daraufhin, welchen Sound man vom Longplayer erwarten konnte. Extrem lebendige Klangflächen, Erledigungen bestimmter Muster wie auch gleichzeitige Entsagung an die sich ewig wiederholende Sample-Ergötzung. Das Album löst das Versprechen freilich ein und lässt sich irgendwo zwischen einem auf dem Experimentiertisch lange montierten Produkt und einer ohne eines unnötigen Extragedankens aufbereiteten Platte einordnen, die keine 35 Minuten dauert, aber lyrisches und soundästhetisches Gewicht mitbringt, das locker für zwei CDs reichen würde. Neben dem exzellenten Songwriting gewinnt Kay die Zuhörer ebenfalls mit coolen Flows für sich, die in den meisten Fällen ziemlich flott daherkommen und vor allen Dingen exquisit zu den luftigeren Produktionen passen. Dank der Live-Instrumentierung herrscht ohnehin keine Langeweile und Factors elektrisierend-intensive Achtziger-Anlehnungen bilden in ihrer Ausstaffierung einen Spiegel, in dem sich das bisherige Schaffen des kanadischen Produzenten problemlos analysieren und zusammenfassen lässt; ein Schaffen, in dem es darum geht, ohne Umständlichkeiten kreative Freiheiten zu entwickeln, ohne auf der elitären Schiene zu fahren und darum superindividuelle wie ultra-unkonventionelle Beats entwickeln zu müssen. Seine Arbeiten sind deshalb auch auf "Letters From Laika" einem schönen Gleichgewicht verpflichtet, egal ob er futuristische, melancholische oder gar unheimlich schmissige Rapbegleitungen kreiert. Längst ist auf der CD nicht alles perfekt und von Schmutzflecken unberührt, doch bieten die kritikwürdigeren Elemente noch lange nichts, wofür man sich in den Schmollwinkel zurückziehen müsste.

Kay The Aquanaut & Factor - Letters From Laika
2013
Label: Circle Into Square

Freedom Of Speech

Eigentlich müsste "Freedom Of Speech" in aller Munde sein, denn das zweite Album der Londoner Rapperin ist ein Feuerwerk an Emotionen. Doch wie bei Big Dada Veröffentlichungen üblich wurde hier nicht primär auf die Verkaufszahlen geschielt, sondern auf Qualität gesetzt, die sich sowohl im Gesamtpaket wie auch im Detail finden lässt. Man war also darauf fixiert, den Langspieler nicht zu trendy klingen zu lassen. Mögen schmierig rhythmische Reize und oberflächliches Spacko-Geschwätz verkaufsfördernd sein, in Speech Debelles Welt geht es um aufrichtige Gefühle, weshalb einzig die Single "I'm With It" etwas von Aufdringlichkeit besitzt. Der Rest ist betont ruhig und reduziert, die Produktionen nie überfrachtet. Alleinunterhalter Kwes. legt schmissige Melodien und gemächliche Gitarrenakkorde auf, die mit einer wunderbar femininen Stimme einen Vermischungsprozess eingehen und folglich den Soul der Texte spürbar machen. Und welch atemberaubende Intimität der bisweilen in einer Art Flüsterton gehaltene Rap erzeugt! Es mochte 2009 noch eine große Überraschung gewesen sein, als die junge Rapperin den in der Independent-Szene beliebten Mercury Music Prize für ihr Debüt "Speech Therapy" entgegennahm, doch nach diesem Werk ist die Londonerin weit mehr als nur Big Dada Nachwuchs. Der Frau eine große künstlerische Perspektive zu bescheinigen, das fällt nicht schwer. Speech Debelles gut aufgestelltes Lyrics-Portfolio - auf "Freedom Of Speech": Schuldbekenntnisse, Liebesbeziehungs-Poetik, gesellschaftspolitische Überlegungen u.v.m. - ist dabei genauso eine offenkundige Stärke wie ihre sinnliche Stimme. Das nächste Album kann kommen.

Speech Debelle - Freedom Of Speech
2012
Label: Big Dada

G Is For Deep

Hip Hops Micky-Maus-Stimme Doseone testet mit "G Is For Deep" ein weiteres Mal die Dehnbarkeit von Hip Hop und schaut, wie weit er gehen muss, um es auf die Spitze zu treiben. Längst nicht jeder ist ihm bereit zu folgen, doch zumindest hat er für dieses Soloalbum endlich auch seine Heimat Anticon als Releaseplattform gewählt, womit doch wenigstens sichergestellt sein müsste, dass die CD den ganzen Experimentalrap-Aficionados nicht durch die Lappen geht. Denn die sind es hier, die eine freundliche Bedienung erfahren, während der Rest sich die Frage stellen wird, was dieser elektronische Soundkonfetti denn nun mit Hip Hop zu tun hat. Berechtigt ist die Position der Doseone-Verweigerer durchaus, zumal das Am-Rad-Drehen des Künstlers aus Ohio immer beklopptere Formen anzunehmen scheint. Mit dem alten Zeug aus den Neunzigern weist "G Is For Deep" jedenfalls kaum Schnittpunkte auf. Um auf diesem Album hundertprozentige Raps zu hören, braucht man zwar keine guten Einbildungsfähigkeiten, dafür aber viel Geduld. Empfehlenswert ist dennoch die Bereitschaft, zappeligen und wurstelnden Singsang als Rap zu akzeptieren, oder sich erst gar keinen Kopf darum zu machen, was der ehrenwerte Herr nach allgemeingültigen Definitionen während des Entstehungsvorgangs in der Aufnahmekabine tatsächlich getrieben hat. Rap oder Gesang - egal. Und wenn das Kunstwerk das Kind eines Künstlers ist, so lässt sich mühelos konstatieren, dass es sich bei diesem Werk mindestens um ein schönes Kind handelt. Ständig in psychedelischen und surrealistischen Sphären unterwegs, übt der Soundtrack durch wummernde Bässe und dissonanten Mischmasch eine magische Anziehung aus, der man sich zumindest dann gerne aussetzt, wenn nicht im Einklang spielende Instrumente nicht zu den K.-O.-Kriterien gehören. Obwohl kein Unterstützer der Geschmackssache-Floskel, will mir kein Textende einfallen, welches an dieser Stelle passend wäre. Deshalb bleibt mir nur die Wahl, den Konsumenten mitzuteilen, dass die Beurteilung der hier vorgetragenen Gesangsparade eines Nonkonformisten ganz besonders vom soundästhetischen Geschmack jedes Einzelnen abhängt.

Doseone - G Is For Deep
2012
Label: Anticon

The Block Brochure: Welcomet to the Soil 1

Wenn man der populärsten Informationsquelle im World Wide Web vertrauen kann, stellt die erste Ausgabe der dreiteiligen "Block Brochure"-Reihe das schon fünfzehnte Soloalbum des alten Hasen aus Vallejo dar. Ich spreche natürlich sehr vielen Meinungen Hohn, wenn ich schreibe, dass E-40 seit Anbeginn seiner Karriere zu den langweiligsten Exemplaren an der Westküste zählte und dass sich daran im Laufe der Zeit nicht im Geringsten etwas geändert hat; aber da ich eine gewisse Transparenz bei meinen Schreibergüssen unterstützen möchte, darf es kein Geheimnis sein, welche Meinung ich über E-40 meine eigene nenne. Obwohl "Welcome To The Soil 1" bei Unterstützern und langjährigen Hörern gut ankommen dürfte, fällt die fidele Superfühl-Musik bei mir komplett durch. Die nicht mal so selten von galaktischer Dämlichkeit durchzogenen Texte mit ihren tumben Egoaufputsch-Lines und der dazugehörigen postpubertären Komik lassen nicht nur komplett kalt, ihnen fehlt auch die musikalische Absicherung, die normalerweise dazu dient, das Straßenrap-Gesülze überhaupt konsumierbar zu machen. Doch in diesem kruden Matsch aus trendiger Boom-Boom-Hip Hop-Betörung und halb gelungener Tiefbass-Kopfnicker sucht man größtenteils vergeblich nach so etwas wie Klasse. Manchmal sollte man einfach nur dem Cover glauben: E-40 verkauft das Leben in der Hood als Zirkusshow. Tretet ein, und amüsiert euch.

E-40 - The Block Brochure: Welcomet to the Soil 1
2012
Label:  Heavy On The Grind