Samstag, 15. Juni 2013

The Birthwrite LP

Gewiss besagt ein krummer Kodex, dass man Debütanten nicht so hart anpacken sollte wie erfahrene Künstler, da sich die Newcomer schließlich in einem Stadium der Identitätsfindung und Erfahrungssammlung befänden, deshalb nur eine rücksichtsvolle Auseinadersetzung zum besten Urteil kommen könnte. Wie man die Sache nun angeht, ist jedem sein Bier. Nur sollte der ersten professionellen Gesamtarbeit einer künstlerisch tätigen Person keine falsche und falsch begründete Herzensgüte zukommen, womit wir schon beim Kern sind, meiner Meinung zu "The BirthWrite LP" von RationaL. Der einladende Sound aus besinnlichen Strings und organischen Percussions, genau wie das gleichzeitige Weglassen jedes Klimbims, entwirft zugegebenermaßen eine feine Bühne für RationaLs Reime, die sich beinahe ausschließlich mit ernsthaften Themen beschäftigen. Und doch ist das Konzept ein wenig zu simple-minded, die Textur mehr eine dürftig präsentierte Phrase denn Ergebnis eines tiefen Denkprozesses. Geschichten erzählend und seine Person reflektierend, hat RationaL freilich meine Sympathien auf seiner Seite, doch dass er auf seinem Erstling in kein Fettnäpfchen tritt, hat seine Ursache in der Einstellung des Rappers. Sein Vertrauen in die abgeschmackte Rezeptur scheint so groß zu sein, dass er gar keinen Gedanken daran verschwendet, auch mal eine andere Platte auflegen zu lassen. Um wieder etwas an die Anfangssätze heranzutreten, muss ich feststellen, dass im Falle von "The BirthWrite LP" eine Herzensgüte, die die Bewertung beeinflussen würde, übrigens nicht bloß aufgrund ihres total irrationalen Charakters nicht passe, sondern auch wegen der Anforderungen. Gerade das Einstandsalbum gilt doch als ein erstes Ausrufezeichen und sollte deswegen nicht für die Ausstellung von Untugenden wie Inspirationslosigkeit und Einfalt missbraucht werden.

RationaL - The Birthwrite LP
2012
Label: Ear Rational Music

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