Gewiss besagt ein krummer Kodex, dass man Debütanten nicht so hart
anpacken sollte wie erfahrene Künstler, da sich die Newcomer schließlich
in einem Stadium der Identitätsfindung und Erfahrungssammlung befänden,
deshalb nur eine rücksichtsvolle Auseinadersetzung zum besten Urteil
kommen könnte. Wie man die Sache nun angeht, ist jedem sein Bier. Nur
sollte der ersten professionellen Gesamtarbeit einer künstlerisch
tätigen Person keine falsche und falsch begründete Herzensgüte zukommen,
womit wir schon beim Kern sind, meiner Meinung zu "The BirthWrite LP"
von RationaL. Der einladende Sound aus besinnlichen Strings und organischen
Percussions, genau wie das gleichzeitige Weglassen jedes Klimbims,
entwirft zugegebenermaßen eine feine Bühne für RationaLs Reime, die sich
beinahe ausschließlich mit ernsthaften Themen beschäftigen. Und doch
ist das Konzept ein wenig zu simple-minded, die Textur mehr eine dürftig
präsentierte Phrase denn Ergebnis eines tiefen Denkprozesses.
Geschichten erzählend und seine Person reflektierend, hat RationaL
freilich meine Sympathien auf seiner Seite, doch dass er auf seinem
Erstling in kein Fettnäpfchen tritt, hat seine Ursache in der
Einstellung des Rappers. Sein Vertrauen in die abgeschmackte Rezeptur
scheint so groß zu sein, dass er gar keinen Gedanken daran verschwendet,
auch mal eine andere Platte auflegen zu lassen. Um wieder etwas an die
Anfangssätze heranzutreten, muss ich feststellen, dass im Falle von "The
BirthWrite LP" eine Herzensgüte, die die Bewertung beeinflussen würde,
übrigens nicht bloß aufgrund ihres total irrationalen Charakters nicht
passe, sondern auch wegen der Anforderungen. Gerade das Einstandsalbum
gilt doch als ein erstes Ausrufezeichen und sollte deswegen nicht für
die Ausstellung von Untugenden wie Inspirationslosigkeit und Einfalt
missbraucht werden.
RationaL - The Birthwrite LP
2012
Label: Ear Rational Music
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